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Die jungen Leute haben Recht und Kramp-Karrenbauer auch

politische meinungsbildung im internet

Dieser Beitrag wird zwei Kernthesen vertreten. Erstens: Die Jugend ist politisch und das ist auch gut so. Zweitens: Die Jugend ist politisch und das verändert unsere Demokratie. Für die erste These müssen wir Altparteien angreifen, für die zweite ironischerweise Annegret Kramp-Karrenbauer „verteidigen“.

Die Jugend von heute sorgt sich um morgen

Die Wahlbeteiligung ist gestiegen, die Mehrheit der jungen Generation wählt grün, schon im Schulalter bilden sich die Menschen politisch weiter und Influencer, YouTuber und Co. beeinflussen den Wahlkampf. So weit, so gut.

Die Reaktionen auf diese neue Realität sind teilweise lächerlich. Anstatt sich ernsthaft zu hinterfragen und die Veränderung des eigenen Fokus zu verkünden, glauben CDU/CSU und SPD, dass sie die jungen Leute nicht erreichen, weil sie nicht „hip sind“ oder „eine andere Sprache sprechen“. Das mag ja einerseits stimmen, verfehlt aber das Ziel: Die Jugend von heute möchte nicht, dass Politiker auf Festivals auftreten, Influencer werden oder Fortnite spielen – sie wollen, dass ihre Sorgen und Ängste Priorität haben!


junge leute europawahl

Protestieren Schüler für Klimaschutz, sind sie Schulschwänzer. Bilden sie sich online weiter, werden sie kontrolliert. Weisen sie auf die Schere zwischen Arm und Reich hin, dann verstehen sie die natürliche Ordnung der Dinge nicht. Egal ob von Politikern oder Menschen über 30, ständig müssen sie sich von oben herab behandeln lassen. Die Reaktion auf ihre Proteste wird also zum Beweis für die dahinterliegende Nachricht: Wir sind für euch weniger wichtig als eure eigenen Ziele und die großen Konzerne.

Womit ältere Menschen und Politiker, die seit Jahrzehnten mit der Lebensrealität des Durchschnittsbürgers nichts mehr zu tun haben, allerdings nicht gerechnet haben, ist das Internet. Die Jugend hat eine Plattform, ein Forum, einen Ort für Organisation. Sie sind nicht nur politisch, sie sind informiert und wissen, dass sie wichtig sind. Ihr Zusammenhalt und ihre neuen Möglichkeiten lassen sie glauben, dass sie etwas verändern und an ihrer Zukunft arbeiten können – und sie haben Recht. Diese Erkenntnis ist wunderbar.

Das Internet von heute ist die Gefahr von morgen

Dass die meisten jungen, aufgeklärten und an der Zukunft des Planeten interessierten Menschen die CDU nicht wählen wollen, ist wohl mittlerweile jedem klar. Daher ist der Aufschrei, der sich gerade durch Internet und andere Medien zieht, etwas überzogen – beziehungsweise verläuft er in die falsche Richtung. Annegret Kramp-Karrenbauer sagte jüngst, es müsse eine Debatte um Meinungsmache vor den Wahlen geben. Natürlich liest sich das im ersten Moment als Zensurversuch einer Altpartei, die den Halt verliert.

Wer allerdings für eine Sekunde aufhört, auf den Empörungszug aufzuspringen, der wird feststellen, dass von Zensur keine Rede war. Klar wirkt Frau Kramp-Karrenbauer wie ein Kind, das die schlechten Noten aus der Klassenarbeit verteidigen will. Aber sie verteidigt im folgenden Video auch die Menschen, die gute Arbeit leisten und die nun aus ihrer Sicht plötzlich alle verteufelt werden – ihre Reaktion ist emotional und doch nicht nur…



Denn: Auch als Nicht-CDU-Wähler darf man CDU-Politikern noch ihre Meinung und gute Ideen zugestehen – während man ihre Intentionen hinterfragt. Zu behaupten, dass die neuen Medien keinen entscheidenden und debattierbaren Einfluss auf politische Meinungsbildung hätten, wäre ebenso naiv wie die PDF-Antwort der CDU auf Rezo. Die Ironie liegt darin, dass die heftige Ausbreitung der Aussagen von Annegret Kramp-Karrenbauer sie eigentlich bestätigen: Die neue Debattenkultur hält sich nicht mehr an alte Regeln und Reputationen und Weltbilder können binnen weniger Stunden oder gar Minuten zu Staub zerfallen. Das kann man gut oder schlecht finden, so oder so ist eine Diskussion über Meinungsbildung und mögliche Veränderungen für unsere Demokratie aber notwendig. Umso ärgerlicher ist es, dass eine Politikerin der schwer angeschlagenen CDU/CSU diese Debatte beginnen möchte und damit das Ziel verfehlt. Man kann ihr also Naivität, schlechtes Timing und falsche Intentionen vorwerfen, aber hat sie deshalb Unrecht?

Früher mussten Zeitungen, Radio und Fernsehen entscheidende Fakten  oder Meinungen rechtzeitig vorbereiten und einige Tage oder Wochen vor den Wahlen zur Verfügung stellen – Zugriff hatten trotzdem häufig nur kleine Teile der Bevölkerung. Außerdem unterlagen sie (und unterliegen sie im Idealfall noch heute) einem Kodex und der Kontrolle ihrer Kollegen.

Heute könnte ein Video, das am Wahltag morgens hochgeladen wird, noch eine Wahl beeinflussen und von Millionen Menschen gesehen werden – ungeprüft, vielleicht voller Lügen und Verleumdungen. Die Menschen dahinter sind nicht nur nicht ausgebildet für solche Berichte, einige von ihnen könnten sogar schädliche und antidemokratische Hintergedanken haben. Rezo’s Video war gut recherchiert und entstand in wochenlanger Arbeit. Doch in Zukunft (oder bereits heute?) müssen wir auch mit Bots, FakeNews und weniger fundierten wahlrelevanten Beiträgen rechnen. Das Internet trägt Hoffnung in sich, was aber nicht heißt, dass es die Lösung all unserer Probleme ist – es schafft sogar neue.


kramp karrenbauer zensur

Die Europawahl 2019 ist keine gewöhnliche Wahl gewesen. So gut wie jedem Menschen unter 30 fallen auf Anhieb 100 Dinge ein, für die man die CDU/CSU und Annegret Kramp-Karrenbauer kritisieren kann und sollte. Doch der neue Fokus in der Debattenkultur und die neue Art der politischen Meinungsfindung sind tatsächlich nicht einfach unter den Tisch zu kehren. Anstatt also eine Aussage zu verzerren (einige) oder als Angriff von rechts zu beschreien (viele), um der am Boden liegenden CDU noch einen Tritt mitzugeben, sollten wir – diejenigen, die das Internet nicht mehr als Neuland betrachten – gemeinsam darüber sprechen, wie die Zukunft des Wahlkampfes und somit der Demokratie aussehen wird. Nur so kann verhindert werden, dass der positive Effekt der Wählermobilisierung und politischen Bildung für junge Menschen irgendwann umschlägt und der Empörismus und die unüberlegte Posting-Kultur negative Folgen für uns alle haben werden.

Was meint ihr, sollten wir den Fokus von Kramp-Karrenbauer weglenken – da wir ihr ohnehin keine Kompetenz auf diesem Gebiet zusprechen – und tatsächlich über die Zukunft der Demokratie diskutieren? Über die Vorteile, Nachteile und Gefahren der digitalen Meinungsfindung?

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