In den letzten Monaten war das Sicherheits- und Ordnungsgesetz von Mecklenburg-Vorpommern, kurz: SOG M-V, ein großes Thema in den Medien. Grund dafür war die durch die Landesregierung geplante Überarbeitung des Gesetzes, die für viel Wirbel sorgte.
Was ist das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG)?
Wie der Name schon sagt, sind im SOG die Grundsätze für die öffentliche Sicherheit und Ordnung festgelegt. Maßgebend ist das Gesetz für Ordnungsbehörden und die Polizei, denn in ihm sind die Aufgaben und Befugnisse beider Institutionen geregelt. Allerdings ist es kein bundesweites Gesetz, sondern reine Ländersache – in manchen Bundesländern sind die Bestimmungen auch in Polizeigesetzen oder im Landesverwaltungsgesetz festgelegt. Das bedeutet, dass jede Landesregierung ihren eigenen Gesetzestext zusammenbasteln und vor allem verändern kann. Und genau das ist momentan in Mecklenburg-Vorpommern geplant: eine Überarbeitung des SOG.
Welche Änderungen möchte die Landesregierung von MV durchsetzen?
Im Januar diesen Jahres wurde der neue Entwurf des SOG M-V vorgelegt. Zum einen sollte es dem digitalen Zeitalter und den rechtlichen Bedingungen wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angepasst werden. Zum anderen sollte insbesondere die Polizei nach bayerischem Vorbild mehr Befugnisse bekommen. Ziel des Ganzen: effizientere Gefahrenabwehr.
Dazu wurden unter anderem verschärfte Regelungen zum finalen Rettungsschuss formuliert, es sollen Videoaufnahmen in polizeilichen Räumlichkeiten der Gewahrsamnahme zugelassen werden und die Bandbreite an Straftaten soll auf BKA-würdigem Niveau um beispielsweise Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und der besonders schweren Computersabotage erweitert werden.
Den vollständigen Gesetzesentwurf gibt es hier.
Ganz besonders stechen allerdings die Neuerungen zum Filmen von Großveranstaltungen und zur Telekommunikationsüberwachung hervor. Beides soll der Polizei mehr Befugnisse zur präventiven Gefahrenabwehr einräumen. Polizeibeamte sollen also schon vor einer begangenen Straftat gegen eine Person vorgehen dürfen. Während das Filmen von Großveranstaltung noch selbsterklärend ist, geht es bei der Telekommunikationsüberwachung um ein heimliches Installieren einer Software auf Handys und Computer, die es der Polizei erlauben soll, Daten und Kommunikationsflüsse abzurufen und zu speichern. Wenn man sich die Gruppe Nordkreuz anschaut, die sich unter anderem über Messenger-Dienste wie Telegram organisiert, scheint das zunächst ein gerechtfertigtes Vorgehen zu sein.
Landesinnenminister Lorenz Caffier äußert sich folgendermaßen:
„Früher musste sich ein potentieller Bombenbauer die Bombeneinzelteile im Baumarkt zusammenkaufen und konnte dabei observiert werden. Heute sind solche Einkäufe über das Internet möglich. Deswegen muss die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel auch auf den PC oder das Smartphone von verdächtigen Personen zugreifen können.“
(Quelle: Presseportal)
Eigentlich sollte der Gesetzesentwurf bezüglich des Schutzes personenbezogener Daten dementsprechend abgesichert sein und durch den Datenschutzbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern beaufsichtigt werden. Kritiker, darunter auch Marteria und selbst die Landesdatenschutzbehörde, wissen allerdings nicht, ob sie darüber lachen oder sich empört zeigen sollen.
Scharfe Kritik durch das Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ MV
Viele stehen dem neuen Gesetzesentwurf skeptisch gegenüber, vergleichen es mit der Stasi und versuchen, sich aktiv dagegen zu wehren. Das Bündnis gegen die Verschärfung des SOG in MV „SOGenannte Sicherheit“ ist Vorreiter in der Kritik. In Rostock und Schwerin organisierten sie bereits Demonstrationen und zahlreiche Informationsveranstaltungen. Für sie und viele andere sind gerade die schwammige und unverständliche Formulierung der Gesetze und die teilweise verfassungswidrigen neuen Befugnisse ein Dorn im Auge. Denn für Betroffene steckt hinter der Video- und Telekommunikationsüberwachung noch viel mehr als es anfänglich vermuten lässt.
Videoüberwachung
Polizeibeamte sollen bei Großveranstaltungen Videoaufnahmen anfertigen dürfen. Was dem Zweck der Sicherheit dienen soll, kann sich dem Bündnis nach auch auf die Ausübung der Meinungsfreiheit auswirken, beispielsweise wenn es um die Videoüberwachung bei Demonstrationen geht.
Überwachungssoftware – oder auch „der Staatstrojaner“
Um die Daten und den Kommunikationsverkehr einer verdächtigten Person abrufen zu können, muss zunächst eine entsprechende Software auf deren PC oder Handy installiert werden. Die Polizei soll dies ohne das Wissen des Verdächtigten tun dürfen, was das heimliche Betreten der Wohnung, die Nutzung der entsprechenden Geräte und das Platzieren von Kameras und Mikrofonen einschließt. Hierin sieht das Bündnis einen massiven Eingriff in die Privatsphäre und einen eindeutigen Verstoß gegen die Verfassung. Auch Journalisten und Ärzte bangen um die personenbezogenen Rechte ihrer Quellen und Patienten.
Überwachung von nicht direkt verdächtigen Personen
Diese Form von Überwachung soll nicht nur auf verdächtige Personen angewendet werden können, sondern prinzipiell auch auf alle Menschen in deren Umkreis – egal ob Familie, Freunde oder flüchtige Bekannte. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie selbst in eine geplante Tat verwickelt sind oder überhaupt davon wissen. Auch hier eckt der Gesetzesentwurf wieder am Personen- und Datenschutz an.
Feste Beweislage nicht nötig
Um die Überwachung einer Person einleiten zu können, muss es keine feste Beweislage mehr geben. Im Gesetzesentwurf wurde die Formulierung „tatsächliche Anhaltspunkte“ gewählt, die dem Richter vorgelegt werden müssen. Das ist nicht nur eine uneindeutige Formulierung, sondern könnte auch die Überwachung von Personen zulassen, die in keinster Weise im Zusammenhang mit einer Straftat stehen.
Willkür
Nach Ansicht des Bündnisses mangelt es an außenstehenden Kontrollinstanzen, die der Polizei auf die Finger schauen. Da das Verdächtigen einer Person aufgrund der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ nicht mehr auf Beweisen beruht, spielen willkürliche Vermutungen eine Rolle, die immer auch an die persönlichen und subjektiven Weltansichten und Wertvorstellungen eines Polizeibeamten gebunden sind.
Daher fordert das Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ ganz klar: keine Datenerhebung von Unbeteiligten, kein Staatstrojaner, keine anlasslose Videoüberwachung und eine unabhängige, effektive Kontrollinstanz.
Die Neuerungen im Sicherheits- und Ordnungsgesetz bieten viel Input für Diskussion. Unmengen an Fakten und teilweise auch Verstößen sprechen gegen den Entwurf, wie er momentan formuliert ist. Andererseits ist es nicht zu bestreiten, dass präventive Maßnahmen in einem gewissen Maße nötig sind und Ermittlungen nicht vor den Grenzen zur digitalen Welt halt machen dürfen.
Was haltet ihr also davon? Steht ihr dem Entwurf kritisch gegenüber oder seid ihr Befürworter? Würdet ihr euch vielleicht eine ganz andere Lösung wünschen? Wir freuen uns über eine angeregte Diskussion, bitten aber um Höflichkeit und Sachlichkeit.