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Der Spielmann-Opa ist tot: ein Nachruf für ein Wahrzeichen Rostocks

Zwischen all den Menschen rund um den Universitätsplatz konnte man ihn manchmal noch beobachten, wenn er mit erhabenem, mildem Blick sein altes Revier begutachtete. Die Arme auf dem Rücken, das Gesicht faltig und eingefallen, aber immer mit einer nicht zu übersehenden Gutmütigkeit in den Augen. Auf wackeligen Beinen schlenderte er unscheinbar durch die Kröpi, dort, wo er jahrzehntelang das Schifferklavier spielte – mittlerweile ohne die riesige Seemannsmütze. Trotzdem fiel einem dieser hagere, kleine Mann, der in seiner meist viel zu großen und ausgebeulten Kleidung stets zu verschwinden schien, immer irgendwie auf. Und so tuschelten die Leute untereinander: „Ist das nicht der Spielmann-Opa?“ Kaum zu glauben, dass dieser kleine Herr mit der zerbrechlichen Statue in den 50ern dreimal Landesmeister im Gewichtheben wurde.

So lange wie „der da oben es zulässt“ wollte der Spielmann-Opa musizieren – Foto: instagram @slowmothering

Gehört, hat man ihn schon seit längerem nicht. Sehen, wird man dieses von Rostock untrennbare Gesicht nun auch nicht mehr. Michael Tryanowski, besser bekannt als der „Spielmann-Opa“, ist am 27.7. im hohen Alter von 98 Jahren verstorben. Aber einen Mann wie ihn, wird auch der Tod nicht von den Rostockern trennen können.
Die letzte Note, die im Abschluss-Akt des Lebens ertönt, dürfte im Moment des Todes ein Moll-Ton sein. Im besten Fall ein weicher Akkord, ohne großes Orchester mit dramatischen Streichern und Pauken und Trompeten. Vielleicht. Kommt darauf an, wer man war. Bei Michael Tryanowski liegt es zumindest nahe, dass ein Akkordeon den Schlusston spielte – eine begleitende wohlige Melodie, die ihn sanft ans neue Ufer bringt. Das entspräche seinem Wesen, wie wir es all die Jahre wahrgenommen haben.
Foto: instagram @rostockgram

Der Klang seines Schifferklaviers hatte auch  immer etwas von Fernweh und Heimweh zugleich, von Aufbruch und Schwermut, von Freude und Trauer. Irgendwo dazwischen bewegt sich häufig die Stimmung, die dieses Instrument überträgt. Ebenso verhält es sich ein wenig mit dem Leben und letztendlich auch mit dem Tod. Dieser ist, so sagt man oft pathetisch, nur eine weitere Reise, die man mit Schwermut und Trauer antritt, da man die Liebsten vorerst nicht mehr sehen wird. Ein Gefühl von Heimweh, noch ehe die Türschwelle übertreten ist, das man dauerhaft mit sich tragen wird. Doch ab dem Moment, in dem der Reisende realisiert, dass es kein Zurück mehr gibt, mischt sich das Gefühl von Aufbruch hinzu, dass nun etwas Neues kommt, das kommen muss. Die Freude über eine erfüllte Zeit zu Hause und über die daheimgebliebenen Menschen, die ihn immer tief im Herzen tragen, macht den Schwermütigen stark und zuversichtlich. 
Zusammen mit Marteria wurde der Spielmann-Opa als musikalischer Botschafter der Stadt geehrt. – Foto: Joachim Kloock

Wir könnten uns vorstellen, dass dies beim Spielmann-Opa der Fall war. Welche Reise sollte vor diesem Hintergrund noch schmerzlich für ihn sein, wenn er doch weiß, dass sich eine ganze Stadt vor ihm verneigt? Wo sollte Platz für die Angst eines Menschen sein, wenn ihn unzählige warme Hände auf die andere Seite tragen? Ein Mensch, dem so viele Herzen zufliegen, wird ewig leben und nie allein sein. Rostock wird den Spielmann-Opa niemals vergessen. Er war eine Legende im Leben und wird eine noch größere im Tod sein. Ein Wahrzeichen Rostocks, das weit über Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt war. Und so durfte er sich 2014 völlig zurecht ins Ehrenbuch der Stadt eintragen und wurde im August des selben Jahres als 32cm große Bronzestatue in der Einkaufspassage „Rostocker Hof“ verewigt. Noch im Juni saß er zur 800-Jahr-Feier in der Stadthalle, in der die Band Karat und sieben Orchester ihn mit dem Song Albatros würdigten. Der berühmteste Straßenmusiker Rostocks hat sein Akkordeon nun für immer zur Seite gelegt. Möge es auf ewig im Herzen der Stadt weiterspielen. 

Die Redaktion von StudentsStudents zieht gemeinschaftlich den Hut vor Michael Tryanowski. Danke für Ihre Musik.

Ruhe in Frieden, Spielmann-Opa


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