Wer die Graffiti- und Aufkleberflut in Rostock nicht schon so sehr verinnerlicht hat, dass er sie als Teil des Stadtbilds sieht, wird hin und wieder den Aufruf »Free Schubi« entdecken. Damit ihr nicht ahnungslos davor steht und euch fragt, was ein »Schubi« ist und wovon man ihn befreien muss, haben wir ein bisschen Recherche betrieben.
Kristian S. alias „Schubi“ ist ein Schiffsoffizier aus Rostock. Dem 33-Jährigen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen Polizisten mit einem Stein beworfen zu haben, der ganze 2 Kilogramm schwer war. Bei dem Vorfall, der sich beim Fußballspiel von Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden im November 2014 ereignete, wurde ein Polizist verletzt. Dass es mehrere Steinwürfe gab, steht nicht zur Debatte. Die große Unterstützung für »Schubi« rührt allerdings daher, dass der Prozess zahlreiche Mängel aufweist: unter anderem ist es fraglich, ob es sich bei dem Werfenden tatsächlich um ihn handelte. Wie fast immer bei solchen Ausschreitungen, war der Steinwerfer nämlich vermummt. Die zum Beweis angeführten Videos zeigen unterschiedliche Kleidung- laut Staatsanwaltschaft habe sich der Verdächtige mehrfach umgezogen.
Der Mithäftling, dem Kristian S. die Tat gestanden haben soll, galt als unglaubwürdig. Dieser Einwand der Verteidigung wurde jedoch abgewiesen. Ein Entlassungsgutachten dieses Zeugen, das dem NDR vorliegt, beschreibt den verurteilten Drogendealer als betrügerisch-manipulativ. Eine Stellungnahme des Landesgerichtes, warum er trotzdem als glaubwürdig eingestuft wird, blieb aus.
Vorgeworfen wird Kristian S. außerdem, er habe »aus Hass auf die Polizei« gehandelt. »Schubi« identifiziert sich mit der linken Szene in Rostock. Darauf und auf seinen angeblichen »Hass gegen den Staat« wurde im Prozess immer wieder Bezug genommen. Außerdem soll er bereits bei einem Spiel gegen RB Leipzig Polizisten angegriffen haben. Dieser Vorwurf konnte nicht bestätigt werden. Seine Untersuchungshaft wurde mehrfach verlängert. Die Begründungen dazu sind zahlreich: Verfahrensfehler, Fluchtgefahr, weitere Vorfälle. Es ist allgemein schwer objektive Berichterstattung zu finden. Auch auf Anfrage verschiedenster Regionalzeitungen wurden nur wenige Informationen an die Öffentlichkeit gegeben. Am ausführlichsten berichteten diejenigen, die es mit dem Angeklagten hielten.
Im Internet (sowie an Laternenpfählen und Häuserwänden) bildete sich eine breite Solidaritätsgemeinschaft. »Free Schubi« hat einen Twitter-Account und ein ausführliches Blog, das über den Prozess berichtet. Trotzdem wurde der Angeklagte im Mai 2016 zu vier Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Die Vorwürfe der gefährlichen Körperverletzung, des Landfriedensbruchs und dem Verstoß gegen das Vermummungsverbotes gelten als erwiesen. In der Urteilsverkündung wurde deutlich, dass auch ein Exempel statuiert werden sollte: Gewalt gegen Polizisten sei nicht zu tolerieren. Als entscheidender Faktor für die Verurteilung gilt der Zeuge, der Mithäftling, der sich selbstständig an den Verfassungsschutz zur Berichterstattung gewandt hatte.
Wie ihr sicherlich herauslesen könnt, wollen wir uns nicht für oder gegen das Urteil aussprechen. Aber euch einige der bisherigen Ereignisse zu dem Fall zu liefern, soll euch etwas näher bringen, warum ihr auf so vielen Wänden »Free Schubi« lesen könnt. Außerdem ist die Geschichte noch nicht vorbei: Die Verteidigung kündigte Revision an. Der Fall könnte daher zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe getragen werden und sicherlich weiter für Aufsehen sorgen.