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Kommentar: Rostocker Politiker fordert Fraktionsausschluss für von Storch und Pretzell

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Hintergrund

Die Äußerungen zu Flüchtlingen und Schüssen von AfD-Frauke Petry habt ihr alle mitbekommen. Auch, dass AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch denen auf Facebook zugestimmt hat. Weniger bekannt – aber nicht weniger wichtig – ist die angestrebte „enge Zusammenarbeit“ der AfD mit der FPÖ, die Marcus Pretzell* verkündet hat – so berichtete Focus am Freitag.

Dieser Rostocker fordert den Fraktionsausschluss

Soviel zu den Protagonisten dieses Beitrags. Einer fehlt noch. Und zwar ist das Arne Gericke aus Rostock. Er ist Vertreter der Familien-Partei im EU-Parlament. Der hat, so berichtet Focus, den „sofortigen Fraktionsausschluss“ der beiden (von Storch und Pretzell) gefordert. Jetzt kommt die EKR** in’s Spiel: Heute wolle der Vorstand der EKR-Fraktion von Storch und Pretzell den Austritt per Beschluss „nahelegen“, habe Focus aus Fraktionskreisen gehört. Tatsächlich teilte am vergangenen Freitag ein Fraktionssprecher laut der Online-Version des Münchener Blattes Merkur.de mit, es solle am Dienstag über „mögliche weitere Schritte entschieden werden“.

Die Reaktion

Zurück zu Gericke: Der Politiker ist als Vertreter der Familien-Partei ebenfalls Mitglied in der EKR-Fraktion – und aus Tessin. Von der EKR-Fraktion erwarten von Storch und Pretzell gelassen Rückhalt – so berichtet zumindest Merkur.de. Laut dem Münchener Blatt haben die beiden eine Erklärung abgegeben, in der sie ausdrücken, dass sie die „Mehrheit der Fraktion hinter sich“ und „keine Basis für einen Austritt oder eine an uns gerichtete Austrittsaufforderung“ sähen.

*Pretzell ist der Landesvorsitzende der AfD NRW, außerdem Mitglied des EU-Parlaments und, wen es interessiert, der Lover von Frauke Petry (AfD-Sprecherin). Warum diese Ankündigung aufsehenerregend ist? Die FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) wird in Richtung rechtsextrem eingestuft. Der Front National (FN) unter Marine Le Pen gehört übrigens der selben Parteienfamilie an wie die FPÖ. Von dieser Partei haben wir spätestens wieder gehört, als sie nach den Attentaten von Paris bei den Regionalwahlen in Frankreich das beste Wahlergebnis ihrer eigenen Geschichte verzeichnete.
**EKR steht für „Europäische Konservative und Reformer“. Sie ist mit 75 Mitgliedern im EU-Parlament die drittstärkste Fraktion.

Unser Kommentar – warum nicht von selbst?

Von Storch und Pretzell scheinen sich sicher zu fühlen, dass mehr als die Hälfte der 75 Mitglieder der EKR-Fraktion finden, sie sollen Mitglieder bleiben und somit die Äußerungen zur Waffengewalt an Grenzen nicht so schlimm finden, dass sie ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen sollten.
Storch hat nach ihren Äußerungen eingeräumt, sie habe „Mist gebaut“. Es kam sogar das Gerücht auf, sie habe behauptet, dass sie beim Posten der Aussage zum Einsatz von Schusswaffen an Grenzen mit der Computermaus abgerutscht sei und der Post so ein „technischer Fehler“ war – was sie aber dementiert. Fakt ist: Sie hat zwar ihren Fehler eingeräumt. Dies aber erst nach der heftigen Reaktion darauf. Viele Medien haben vermutet, die Aussage sei eine PR-Strategie nach dem Motto „auch schlechte PR ist gute PR“ – schlichtweg, um die Aufmerksamkeit auf die AfD zu lenken und bewusst zu polarisieren. Schauen wir uns einige Beispiele von politischen Rücktritten an.
Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) ist zurückgetreten, weil seine Ehefrau eine Putzhilfe aus Fördermitteln des Arbeitsamtes bezahlt hat.
Oskar Lafontaine ist als Bundesfinanzminister zurückgetreten, weil er sich mit Gerhard Schröder in der Steuerpolitik nicht einig war.
Willy Brandt ist als Bundeskanzler zurückgetreten, weil er von Stasi-Offizier Guillaume ausspioniert worden war, weil dieser nicht rechtzeitig enttarnt wurde.
Wulff ist als Bundespräsident unter anderem wegen einer Kreditaffäre, einer Medienaffäre und des Verdachts der Vorteilsnahme zurückgetreten.
Und schließlich Karl Theodor zu Guttenberg: Wegen seiner Plagiatsaffäre ist auch er von sämtlichen politischen Ämtern zurückgetreten.
Nicht unerwähnt lassen möchten wir außerdem Uli Hoeneß, der zwar kein offizielles politisches Amt bekleidet hat, aber auch eine Person des öffentlichen Lebens mit sehr viel Einfluss ist (war?). Nach Steuerhinterziehung wurde er zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, von denen er die Hälfte antrat – der Rest wurde auf Bewährung ausgesetzt.
Oft ging es also um Geld oder um Korrektheit. Nie ging es um die Unversehrtheit. Von Menschen. Artikel 2, Absatz 2 im Grundgesetz. Damit ist bereits alles gesagt. Ein einziger Fehltritt, eine unüberlegte Aussage reicht aus, um für immer für ein Thema abgestempelt zu werden – Henriette Rekers Sternstunde mit ihrer #armlaenge ist ein Beispiel. Würden wir sie sonst überhaupt kennen? Personen des öffentlichen Lebens werden nicht umsonst meist von Sprechern vertreten, die dafür sorgen, dass die Auftraggeber ihren Job behalten. Zudem werden auch Politiker für den Umgang mit Medien und Öffentlichkeit geschult. Vielleicht auch genau deshalb hat von Storch ihre Aussage gemacht. Ist damit aber in die Verfassungsfeindlichkeit abgerutscht. Wenn oben genannte Politiker zurückgetreten sind, sind wir mehr als überrascht, dass sie auf den Gedanken erst von unserem Rostocker Politiker gebracht werden muss. Wir sind gespannt, was uns ab heute von „mögliche weitere Schritten“ zu Ohren kommt.