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Gendergerecht an der Uni: Sinn, Unsinn oder Wahnsinn?

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Sprache ist eine wundervolle Errungenschaft, die uns mehr prägt, als uns zunächst bewusst ist. Wer sich die Zeit nimmt, für einige Augenblicke darüber nachzudenken, wie häufig Sprache für positive oder negative Empfindungen verantwortlich ist, der versteht schnell, warum wir über Formulierungen, Wortwahl und gendergerechte Sprache reden.


Nehmen wir das Wort „nett“. Es ist zwar theoretisch positiv besetzt, doch wenn wir jemanden beschreiben und dabei lediglich das Wort „nett“ benutzen, dann ist das nicht gerade eine Lobeshymne. Was für den einen positiv ist, beleidigt den anderen.  

Wie wäre es mit „Krankenschwester“? Ein Mann, der in diesen Beruf einsteigen möchte, muss sich von Freunden wie Fremden häufig schlechte Witze anhören. Die Lösung ist, ihn einfach als Krankenpfleger zu bezeichnen, um das zu verhindern. Klappt aber meist nur mäßig und könnte dazu führen, dass der ein oder andere von diesem Berufsweg Abstand nimmt.


Über solche Dinge denken wir selten nach – das ist auch total okay. Aber daher vorne weg: Wir betonen die Wichtigkeit von Gender Studies und Sprachwissenschaften. Wer beides für Quatsch hält, wird diesen Beitrag nicht mögen.

Die Uni verklagen, weil Gendern Pflicht ist?

Der Verein Deutscher Sprache verteilte jüngst an verschiedenen Universitäten in Deutschland Flugblätter. Darauf rief der Verein die Studierenden dazu auf, zu klagen, wenn gendergerechte Sprache als Pflicht in Arbeiten gilt und die davon Note beeinflusst wird.

Im Fokus der Aktion stand unter anderem die Uni Greifswald, weil dort dieses Jahr beschlossen wurde, dass alle offiziellen Dokumente der Universität (Satzungen etc.) gendergerecht formuliert werden müssen.

Was das bedeutet, weiß wohl mittlerweile grundsätzlich jeder: Niemand soll durch Wortwahl ausgeschlossen werden. Da gibt es das Binnen-I, das aus Studenten die StudentInnen macht. Oder das Gendersternchen macht sie zu Student*innen.

Gendergerecht ist recht kompliziert

Doch längst reichen Sternchen oder Mehrfachnennung nicht mehr. So wird diskutiert, ob die Mehrfachnennung, sagen wir „Meine Damen und Herren…“, nicht diejenigen ausschließt, die sich weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zuordnen wollen oder nicht einwandfrei zugeordnet werden können.

Auch das kleine Wörtchen „man“ stand schon in der Kritik. Da es wie „Mann“ klingt, wäre es nicht neutral. Die Arbeitsgruppe „Feministisch SprachHandeln“ trieb die Diskussion auf die Spitze und schlug vor, auch Gegenstände nicht mehr männlich zu besetzen.

Was das heißt? Aus dem Computer wird Computa und aus dem Tacker Tacka. Klingt komisch, wurde aber wirklich vorgeschlagen.

Gendergerecht an der Universität

Der Verein Deutscher Sprache, den wir eingangs erwähnten, ist nicht unumstritten. Neben angesehenen Schriftstellern und Politikern finden sich dort nämlich auch Hardliner von Rechtsaußen. Gerne wird hier zur Panikmache das Wort „Genderwahn“ benutzt.

Muss man deshalb ihre Kritik vollständig verwerfen? Nein. Denn die Frage, ob gendergerechte Sprache ein Bewertungskriterium in Seminararbeiten/Hausarbeiten/ Abschlussarbeiten sein darf, ist durchaus zu diskutieren.

Kommentar zum Gendern an der Uni

Eine Genderpflicht verfehlt völlig das eigentliche Ziel. Wer bereits sensibel mit dem Thema umgeht, der wird durch die Verwendung nicht noch mal feinfühliger an das Thema herangeführt – und durch den Mangel einer Pflicht auch nicht plötzlich aufhören, gendergerecht zu formulieren.

Wer allerdings einfach nur eine inhaltlich einwandfreie Arbeit abliefert und dann für Fehler bei der gendergerechten Sprache belangt wird, der wird dadurch eher noch weniger den Sinn dahinter verstehen.

Das Problem ist (wie so häufig), dass die Debatte vor allem von den beiden Extremen bestimmt wird. Auf der einen Seite diejenigen, die im maskulinen Sprachgebrauch ein entscheidendes Mittel zur Unterdrückung der Frau sehen. Auf der anderen Seite diejenigen, die Debatten über Sprache und Gleichberechtigung tatsächlich mit dem Neusprech aus George Orwells 1984 gleichsetzen wollen (denjenigen wird empfohlen, das Buch noch einmal zu lesen).

Viele  von uns stehen allerdings weit entfernt von beiden, nämlich in der Mitte. Dort, wo man einsieht, dass Sprache auch Denken und Meinung prägt. Aber eben auch dort, wo man nicht bereit ist, die gestalterische Kunstform des Schreibens in ein enges Korsett zu zwingen, dass für Autor wie Leser das Erlebnis sabotiert.

Wer als Autor, Texter oder eben auch Studi das Ziel hat, einen Text so einfach und verständlich wie möglich zu formulieren, so dass der Leser gar nicht merkt, wie die Zeit vergeht, der wird das mit Strichen, Sternchen und weiteren Methoden nicht erreichen.

Genau darin liegt auch einer der Hauptkritikpunkte an der aktuellen Debatte: Sie legt den Fokus auf die Verschiedenheit der Geschlechter. Statt nur gewisse Worte auf den Prüfstand zu stellen, wie Krankenschwester oder Feuerwehrmann, bei denen auch jemand, der sich nicht mit Sprache beschäftigt, ein Problem erkennen kann, muss alles über den Haufen geworfen werden.

Die Folge? Jedes Mal wenn ich ein Sternchen setze, betone ich die Unterscheidung von Mann und Frau. Ein Argument, das diejenigen, die sich vom Wort Student ausgeschlossen fühlen, sicherlich verwerfen werden – was auch okay ist, wir befinden uns hier bekanntlich in einem Prozess.

Einsehen muss man jedoch, dass das erneute Aufflammen dieser Debatten dem Fortschritt keinen Gefallen tut. Warum das so ist? Weil der „Normalbürger“, der sich nicht wissenschaftlich oder in Arbeitsgruppen mit dem Thema beschäftigt, ganz andere Probleme hat. Die unterbezahlte Sekretärin braucht nicht „innen“, sie braucht Hilfe dabei, mehr zu verdienen. Rechtlichen Beistand oder einfach Alternativen – sie fühlt sich veräppelt, wenn ihr jemand erklärt, dass ein Sternchen ihr Leben verbessern soll.

Und so sind es häufig sogar Frauen, diejenigen, die durch maskuline Formulierungen scheinbar diskriminiert werden, die auf gendergerechte Sprache keine Lust haben. Daher kommt dieser Beitrag nun zu dem Schluss, dass eine Genderpflicht an Universitäten keine Lösung ist – allein schon, weil der öffentliche und wissenschaftliche Diskurs noch nicht annähernd zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen ist. Im Gegenteil, aktuell verhärten sich eher die Fronten.

In verschiedenen Beiträgen zu diesem Thema haben wir immer wieder gelesen, dass angeblich bisher keine Studierenden zu gendergerechter Sprache gezwungen werden. Stimmt das oder wurde euch schon einmal direkt oder indirekt mit Punktabzug gedroht? Diskutiert gerne mit uns, aber denkt an die Netiquette – Kommentare, die gegen sie verstoßen, werden (mit Hinweis) gelöscht.

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