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Verwöhntes Pack: Studenten wollen angeblich in den Urlaub fahren!

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Vor kurzem entdeckte unsere Autorin bei Instagram einen Post dazu, wie viel Geld Studierende im Monat zur Verfügung haben und ob sie mit dem neuen, erhöhten BAföG-Satz auskommen würden. Einen Blick in die Kommentare zu riskieren, stellte sich als großer Fehler heraus: Warum reden die alle über Urlaub! Ich komme mit viel weniger aus! Die jammern wieder nur!

Da stellen sich doch die Fragen: Geht es uns eigentlich zu gut? Sind wir Studis verwöhnt und arrogant? Sind wir dreist, wenn wir mal in den Urlaub fahren wollen?

Ja, natürlich. Es gibt arrogante und verwöhnte Studierende. Das Problem ist hier allerdings, dass der Instagram-Beitrag drei Beispielzitate präsentiert. In allen dreien geht es darum, ob sich derjenige auch einen Urlaub leisten könne. Skandalös!

Es sei denn, man macht sich die Mühe, den dazugehörigen Beitrag zu lesen, den JETZT auch verlinkt hat. Dann stellt sich nämlich heraus, dass bei den Interviews ziemlich spezifisch danach gefragt wurde, für welche Dinge (Miete, Essen, Freizeit und eben Urlaub!) der Studierende wie viel Geld ausgibt. Dass in den drei Zitaten also dreimal von Urlaub die Rede ist, liegt einfach daran, dass danach gefragt wurde (beziehungsweise an der Auswahl der Teil-Zitate)!

Aber seien wir ehrlich, dass würde die meisten trotzdem nicht vom Meckern abhalten. Im Gegenteil, es stachelt sie wahrscheinlich noch an. Denn diese verwöhnten Bälger brauchen keinen Urlaub! Schande, Schande über sie!

Klartext: BAföG ist eine unglaublich tolle Sache und sorgt für mehr Chancengleichheit in Deutschland*. Ganz allgemein haben Studis es hier sehr gut, wenn man den Vergleich zu anderen Ländern wie England oder den USA zieht, wo ein Studium ohne Stipendium schon mal 100.000 Euro Schulden bedeutet.



Vom neuen BAföG-Höchstsatz (861 Euro) lässt sich in einer Stadt wie Rostock ganz gut leben. Wer dann noch einen Nebenjob hat, der kann wahrscheinlich sogar einen richtig tollen Urlaub machen, sich gutes Essen oder teure Klamotten leisten. Wieder andere bekommen nichts oder zu wenig und müssen auf Urlaub oder anderen Luxus verzichten – Münchner bekommen einen Lachanfall, wenn ihnen jemand sagt, dass 861 Euro genug sind.

Doch was genau ist jetzt eigentlich das Problem?

Die meisten Studierenden sind Vollzeit an der Universität eingeschrieben. Das bedeutet, ihr Studium soll ihre Hauptbeschäftigung sein. Ein Nebenjob ist erst einmal überhaupt nicht vorgesehen, für viele aber nicht wegzudenken.

Nicht jeder beschäftigt sich wirklich 40 Stunden in der Woche mit dem Lernstoff, da brauchen wir uns nichts vormachen. In einigen Fächern können das auch mal 10 Stunden sein, in anderen sind es mindestens 60. Legen wir da noch 10 Stunden für den Nebenjob pro Woche drauf, dann leben einige mit einer 20-Stunden-Woche ganz gut und andere quälen sich durch eine 70-Stunden-Woche.

Und nun der springende Punkt: Wer sagt, dass Studis nicht in den Urlaub fahren dürfen? Keiner der wütenden Instagram-Kommentatoren kennt die Lebensrealität der Studierenden in Deutschland wirklich. Sie schließen von dem, was sie gehört haben oder von ihren eigenen Erfahrungen auf Millionen.



Urlaub kann drei Funktionen haben: Erholung, Familie treffen, Kulturaustausch. Woran sich jetzt viele stören, ist wohl der Erholungsfaktor, weil Studierende keine Erholung verdienen…

Okay? Warum genau? Weil wir uns nicht mit dem deutschen bürokratischen Alltag rumschlagen? Weil wir keine Familienprobleme haben? Weil wir nicht in einem kapitalistischen System leben, das uns erklärt, dass wir unseren Selbstwert in Arbeitskraft messen sollen? Studierende kennen also keinen Stress?

Neid und Missgunst sind die Stichwörter. Weil einige Studierende Däumchen drehen können und sich noch nicht in den 40-Stunden-Trott stürzen müssen, der ohnehin nicht mehr zeitgemäß ist, wird ihnen nichts gegönnt.

Und ganz ehrlich: Wer BAföG bekommt, in einer günstigen Stadt lebt und nicht 40 Stunden in die Uni investiert, der sollte mit seinen Beschwerden wirklich etwas leiser sein. Denn wir sind hier durchaus in einer luxuriösen Situation. Viele von uns dürfen sich nämlich erst einmal ein paar Jahre lang entwickeln, Auslandserfahrung sammeln, sich in Vereinen oder Gremien engagieren oder eben auch in anderen Bereichen ausprobieren. Aber es bleibt dabei: Jeder hat eine ganz eigene Geschichte, einen eigenen Weg und somit einen individuellen Bedarf an Freizeit oder Erholung.



Was wollen denn jetzt die wütenden Menschen des Internets? Das alle so leben wie die Studis, die kaum über die Runden kommen? Oder soll es gar keine Studierende mehr geben, weil wir alle sofort arbeiten, arbeiten, arbeiten müssen, um für das Wohl des Volkes zu sorgen?

Alles Unsinn, dieser ganze Beitrag ist ohnehin unnötig, sorry, dass ihr bis hierher gelesen habt. Denn wer sich die Kommentare anschaut, der weiß, dass wie so oft kaum Substanz hinter der Kritik steht. Dass wir uns darüber so viele Gedanken machen, ist eigentlich überflüssig. Aber irgendwie auch wieder nicht.

Die Leute lesen nur „Studierenden wollen Urlaub machen“ und übertragen dann die Frustration aus ihrem eigenen Leben auf andere. Uraltes Ding, nix Neues, ist bei manchen sogar Teil des Wahlprogramms.

Sollen Menschen die Möglichkeit haben, ein- bis zweimal im Jahr Urlaub zu machen, um sich zu erholen, weit entfernt lebende Verwandte zu besuchen oder neue Kulturen kennenzulernen? Ja. Das gilt für alle Menschen. Hier eine Linie zwischen Studis und Nicht-Studis zu ziehen, ist nicht nur kontraproduktiv, sondern aus den erklärten Gründen (jede Situation ist anders) völlig sinnfrei.



Dürfen wir in den Urlaub fahren? Ja. Sollten diejenigen, die Unterstützung erhalten dafür dankbar sein? Ja. Muss sich jemand, der in aller Ruhe studiert und sich Zeit für Persönlichkeitsentwicklung, Soziales oder Reisen nimmt, von wütenden Internethatern vollquatschen lassen? Nein.

Denn es gibt in unserer Wirtschaft, in der Lehre und bei der Gesetzgebung viele Probleme, die es zu diskutieren und zu beheben gilt – die Probleme, die dafür sorgen, dass sich Menschen benachteiligt fühlen oder auch tatsächlich benachteiligt werden. Wenn wir uns aber darauf konzentrierten, Gräben zu ziehen und uns gegenseitig mit Dreck zu bewerfen, dann profitieren nur diejenigen, die ohnehin so viel verdienen, dass ihnen das alles egal sein kann. Wie wäre es also mit gemeinsamen Fortschritt statt Missgunst und Pöbelei?

*Achtung, es gibt eine Menge, was man noch am BAföG verbessern kann. Wenn ihr Interesse habt, können wir auch dazu einen Beitrag machen – das ist jedoch nicht der Fokus dieses Artikels, also stellen wir die Vorteile hier in den Vordergrund.

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