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Praktikum im Studium oder besser: Ausbeutung!?

Ich sitze in einem Bewerbungsgespräch für ein Praktikum, das ich schon seit Jahren haben möchte. Es kommt die Frage, wie ich denn Zeit hätte. „Während der Vorlesungszeit kann ich drei Tage in der Woche da sein.“, sage ich. Das ist nicht gelogen, aber die Wahrheit ist es auch nicht ganz. Eigentlich müsste ich nämlich an diesen drei Tagen für jeweils zwei Stunden weg, um Seminare zu besuchen. „Aber in den Semesterferien kann ich Ihnen volle fünf Tage zur Verfügung stehen!“, füge ich hinzu, während ich mir überlege, welche Hausarbeiten ich verschieben und wie ich für meinen Nebenjob vorarbeiten kann, denn Geld werde ich nicht bekommen.

Das Praktikum war für einen Zeitraum von drei Monate gedacht und der Arbeitgeber sieht es gern, wenn die Praktikanten 40h in der Woche arbeiten können. Das ist auf eine Art verständlich und hat für beide Parteien Mehrwert. Zum einen hat das Unternehmen einen Vollzeitmitarbeiter, der nur gering bezahlt werden muss. Das ist gerade für kleinere Unternehmen und Vereine mit eingeschränkten finanziellen Ressourcen vorteilhaft. Zum anderen bekommt der Praktikant über einen langen Zeitraum intensive Einblicke in verschiedene Arbeitsabläufe und darf sie im besten Fall mitgestalten.

Sinn eines Praktikums: durch Integration in Arbeitsabläufe einen Einblick in den Wunschberuf bekommen!

Aber…

Nicht viele Studierende haben wirklich drei vollständige Monate, in denen sie keine weiteren universitären oder nebenberuflichen Verpflichtungen haben, und sich voll und ganz auf ein Praktikum konzentrieren können.

In einigen Studiengängen sind daher Pflichtpraktika vorgesehen, in denen sich die Studierenden meist für mehrere Wochen oder sogar Monate auf ein Berufsfeld fokussieren und ihre im Studium erworbenen theoretischen Kenntnisse in die Praxis umsetzen können.

Aus klug ausgewählten Nebenjobs, die zu den persönlichen Interessen und dem Studium passen, kann einiges an Praxiswissen und Berufserfahrung herausgeholt werden. Für mehrere Wochen am Stück voll konzentriert in einem Unternehmen zu arbeiten, ist dann aber doch noch einmal etwas anderes! Jeder sollte die Chance auf Praktika bekommen. Und das bitte nicht nur ein Mal im ganzen Studium, sondern mehrmals. Denn Arbeitgeber schätzen praktische Erfahrung, gerne auch in unterschiedlichen Bereichen. Viele legen darauf sogar mehr Wert als auf den Studienabschluss selbst.

Die Sache mit dem Geld

Na, dann ist doch die Lösung ganz klar! Wenn mindestens zwei Pflichtpraktika für generell jeden Studiengang eingeführt werden, dann können wir alle schön viel Erfahrung sammeln und damit wäre das Problem beseitigt. Oder?

So einfach ist das nicht! Zwar sind Praktikanten im Mindestlohngesetz einbezogen und sollten dementsprechend wenigstens die regulären 9,19€ bekommen, aber wie immer gibt es Ausnahmen, die sich manche Arbeitgeber auf Kosten der Praktikanten zu Nutze machen.

Praktikum und Bezahlung gehen nicht immer einher. Wenn man wirklich Pech hat, bekommt man auch noch die „Mädchen für alles“-Aufgaben ab, statt wertvolle Erfahrung für das spätere Berufsleben zu sammeln.

Pflichtpraktika sind vom Gesetz generell ausgeschlossen und müssen dementsprechend vom Unternehmen nicht verpflichtend bezahlt werden. Freiwillige Praktika, die unabhängig von der Universität sind, müssen mit dem Mindestlohn bezahlt werden … Allerdings nur, wenn sie über eine Dauer von drei Monaten hinausgehen. Daher bieten fuchsige Unternehmen Praktika für mehr als drei Monate gar nicht erst an. Das schreit nach Ausbeutung!

Denn ohne Bezahlung läuft für viele Studierende nichts! Im Falle eines Pflichtpraktikums muss immer noch irgendwie nebenbei gearbeitet werden oder die Eltern müssen aushelfen. Beim freiwilligen Praktikum muss zu alldem noch die Uni untergebracht werden. Stresslevel = 1000, die Psyche leidet!

Man möchte denken, dass größere Unternehmen im Gegensatz zu kleineren eher in der Lage sind, längere Praktika anzubieten, die vielleicht sogar mit mehr als dem Mindestlohn vergütet werden. Oft sind es aber gerade die großen Konzerne, die einsparen möchten und auf günstige Arbeitskräfte setzen! Kleineren Unternehmen fehlen oftmals schlichtweg die Mittel.

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User june_ hat es auf dem Portal studis-online.de auf den Punkt gebracht!

Um auf den Punkt zu kommen:

Unbezahlte 40h-Wochen sind neben Uni und Nebenjob(s) einfach nicht zu stemmen – weder finanziell noch psychisch. Trotzdem wird Berufserfahrung von späteren Arbeitgebern nun einmal gewünscht. Daher muss das Sammeln von Praxiserfahrung für Studierende unbedingt erleichtert werden. Faire Bezahlung von Praktikanten und auf das Studium angepasste Arbeitsbedingungen wären ein guter Anfang.

Ich hätte für dieses Praktikum tatsächlich jede freie Minute zur Verfügung gestellt. Hätte bereitwillig und ohne Zögern auf Schlaf und Freizeit verzichtet, damit ich Uni, Nebenjob und Praktikum unter einen Hut bekomme. Am Ende habe ich eine Absage bekommen, weil jemand anderes in der glücklichen Lage war, drei Monate lang unbezahlt Vollzeit arbeiten zu können.

Was habt ihr für Erfahrungen mit Praktika während des Studiums? Habt ihr ähnliche Probleme oder habt ihr einen sorgenfreien Weg zu eurem Wunschpraktikum gefunden?

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