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Unisex-Toiletten an der Uni Rostock?

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1. Warum sprechen wir über Unisex-Toiletten an der Uni Rostock?

Am Donnerstag, den 04.04., veröffentlichte der AStA der Universität Rostock eine Stellungnahme zum Thema „Unisex-Toiletten an der Uni Rostock“. Auf den dazugehörigen Bildern ist zu sehen, dass die bisherigen Toiletten-Schilder mit „Unisex-Toilette/ All Gender Bathrooms“ sowie einem Hinweis zu Sitz- oder Stehklos überklebt wurden.

Gerade der Faktor „überklebt“ sowie die Formulierung des AStA „mutmaßlich universitäre Verantwortliche“ legten den Schluss nahe, dass es sich hierbei vielleicht gar nicht um eine Maßnahme der Universität handelte. Trotzdem entflammte die Diskussion rasch (siehe Punkt 2).

Auf Anfrage erhielten wir die Information, dass es keine offizielle Uni-Maßnahme gegeben hätte, die die Toiletten neu deklarieren sollte. Somit kann vermutet werden, dass Privatpersonen mit der Aktion darauf hinweisen wollten, dass es Ende 2018 einen Beschluss des StuRa gab, der die Einführung von Unisex-Toiletten an der Uni Rostock fordert.

2. Reaktionen auf die Aktion

Wir durften selten ein so gespaltenes Meinungsbild unter einem unserer Beiträge begutachten. Manch einer wollte diskutieren, viele machten sich nicht die Mühe, mit Argumenten zu arbeiten. Alle Kommentare findet ihr bei uns auf Facebook: Unisex-Toiletten.

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3. Minderheitenschutz und Intersexualität

Auch bei uns in der StudentsStudents-Redaktion herrschte zunächst einmal Verwirrung. Ohne eine Ankündigung oder Erklärung der Universität konnten wir schwer mit den Informationen arbeiten. Wir hatten das Gefühl, dass eine Erläuterung zum Entscheidungsprozess geholfen hätte oder auch einfach die Information, welche Toiletten nun als Unisex-Toiletten gelten würden.

Muss man sich jetzt darauf einstellen, dass Männer plötzlich die Damentoilette benutzen?

Wenn bei den Frauentoiletten zu viel los ist, gehen Frauen dann einfach rüber zu den Männern?

Wo muss ich hin?

Erstmal viele Fragen, für die man sich fast schämt, weil man so wenig Ahnung von der Materie hat. Wer sich ein bisschen beliest erfährt schnell: Unisex-Toiletten sollen eigentlich nur dafür sorgen, dass Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen können oder wollen, nicht vor jedem Toilettengang in einen Konflikt geraten – also wie wir, als wir überrascht vor einer Unisex-Toilette standen.

Sofort klingeln bei dem ein oder anderen die Alarmglocken: Wie jetzt, nicht zuordnen? Gibt doch nur Mann oder Frau. Das wurde in der 8. Klasse Biologie doch so super ausführlich besprochen und somit steht das auch fest. Aus wissenschaftlicher Sicht sieht das anders aus. Es gibt zahlreiche Menschen, die sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale haben.

Da dieser Text ohnehin recht lang wird, könnt ihr euch HIER weiter über Intersexualität informieren. Das Thema ist komplex und doch bleibt eine Kernaussage von Wissenschaftlern und dem Bundesverfassungsgericht: Es gibt Menschen, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Das hat uns im Bio-Unterricht nur niemand erklärt.

4. Bestimmt die Gesellschaft, was „Mann und Frau“ ausmacht?


Aber „natürlich“ ist das doch nicht. Und was ist mit denen, die nicht intersexuell sind?

Auch die Gesellschaft sagt uns, was männlich und weiblich ist. Häufig wird „natürlich“ dabei als Argument benutzt, obwohl es nichts mit Natur sondern mit Kultur zu tun hat. Vor nicht allzu langer Zeit galt es als „unnatürlich“, wenn eine Frau Hosen trug. Männer, die vor anderen weinten, galten als weibisch. Diese Stereotype werden überholt und manche Menschen wollen sich ihnen überhaupt nicht mehr unterordnen. Sie brauchen die Zuordnung „Mann“ oder „Frau“ nicht, um ihre Identität zu bestimmen. Auch hier verweisen wir an weiterführende Informationen:


Weil wir auf diesem Gebiet keine Experten sind, verlinken wir einfach mal zwei Beiträge, die unseren Text ergänzen:

„Männlich, weiblich, divers – Vielfalt ist normal.“

„Welche Menschen sind genderqueer?“


Die Autorin dieses Beitrags kann das nicht verstehen. Sie findet es nicht schlimm, sich als Frau zu bezeichnen und trotzdem Vorurteile zu überwinden. Sie guckt kurz überrascht, wenn ein Mann Make-Up trägt, aber sie käme nicht auf die Idee, ihn deshalb zu beleidigen oder als „weniger wert“ zu bezeichnen.

Sie stellt sich aber auch folgende Fragen: Bin ich wirklich arrogant genug zu glauben, dass meine Weltsicht die einzig wahre ist? Dass wir Rostocker das gesamte Spektrum menschlicher Erfahrungen abdecken können und daher allwissende Bestimmer sind? Muss ich andere verstehen, um ihnen Rechte zuzusprechen oder einfach das Leben zu erleichtern? Nein, ich entscheide mich an diesem Punkt dagegen, von mir auf andere zu schließen.

5. Zwei dicke „Aber“ für die Diskussion

Aber: Wir wollen auch niemanden angreifen, der im ersten Moment eine Abwehrhaltung einnimmt. Das Bild, mit dem viele von uns aufgewachsen sind, wird an vielen Stellen stark verändert:

Sollen alle Frauen Karriere machen oder sollen sie sich um die Kinder kümmern? Wenn sie sich für Letzteres entscheiden, sind sie unterdrückt oder frei? Homosexualität ist kein Novum mehr, Wörter wie „Schwuchtel“, die der ein oder andere als Kind ohne Kontext lernte, werden plötzlich gesellschaftlich sanktioniert. Und Toiletten waren unser ganzes Leben für Männer oder Frauen (naja, im Kindesalter sieht das auch anders aus). Es erfordert ein gewisses Maß an Energie, sich auf Neuerungen in der Gesellschaft einzustellen. Nur weil jemand damit Probleme hat, ist er kein schlechter Mensch.

„Ich find’s komisch“ ist keine Aussage, die jemanden zum Sexisten oder Rassisten oder Homophoben macht. Wir können Menschen nicht aufzwingen, dass sie sich in einer neuen Situation wohlfühlen.

Aber 2.0: Wer bis hierher gelesen hat, sollte auch darüber nachdenken, ob die Veränderung des eigenen Weltbilds wirklich eine so furchtbare Katastrophe darstellt, dass man sich bei Facebook oder gar auf der Straße darüber aufregt wie ein empörtes Eichhörnchen. Niemand möchte uns etwas wegnehmen, niemand will uns weniger Rechte zusprechen. Es geht um die Verbesserung der Lebenssituation einer Minderheit – warum genau ist das so unerträglich? Sind wir als Gesellschaft so abgestumpft und gönnen unserem Nachbarn so wenig, dass wir sofort „Halt Stop“ schreien, wenn jemand etwas verändert, das einem anderen helfen wird, nicht aber uns selbst?

bebel tower rostock
Im Bebel-Tower sieht es so aus…

6. Wie geht es in Rostock weiter?

Das dritte Geschlecht „divers“ ist  als Option für Intersexuelle seit Anfang des Jahres gesetzlich verankert. Bisher dreht die Welt sich noch weiter und die vier Reiter der Apokalypse bleiben vorerst noch zu Hause, was manch einen wütenden Facebook-Kommentator vielleicht überrascht. Währenddessen schreitet der Klimawandel voran, die Wohnungsnot in Deutschland wird schlimmer und Hansa Rostock steigt wieder nicht in die Zweite Liga auf.

Wir nehmen einfach mal diese beliebte Aussage von Gegnern der Veränderung: Haben wir keine größeren Probleme? Doch. Also warum sollen sich nicht ein paar Wenige engagieren, damit einer Minderheit das Leben erleichtert wird? Eine riesige Sache wird daraus erst, wenn man sich mit Händen und Füßen wehrt, obwohl gar nichts Schlimmes passiert ist.

Bezüglich konkreter Maßnahmen wissen wir noch nicht viel mehr als ihr. Die Universität hat sich nicht öffentlich zu dem Thema geäußert (Stand: 12.04.2019) und die Zettel wurden wieder entfernt. Dank des AStA wissen wir aber zumindest, dass die Universität plant, „in räumlich abgetrennten Bereichen“ (z.B. Toiletten in der Südstadt-Bibliothek) Unisex-Toiletten möglich zu machen.

Wir würden uns wünschen, dass sich die Diskussion nicht auf Facebook beschränkt. Unisex-Toiletten sind für viele ein rotes Tuch, aus den verschiedensten Gründen. Aber nicht alle stellen sich kategorisch dagegen, weil sie Angst haben. Manchen fehlen die Informationen, viele finden das Thema abstrakt. Aufklärung ist von Nöten, um die Studierenden nicht abzuschrecken, sondern mitzunehmen.

Ein paar Hinweise für die Kritik, die uns zweifellos erreichen wird: Wir sind keine Experten für Intersexualität oder Gender-Theorie, daher die weiterführenden Links. Diskussionen sind bei uns sehr willkommen, aber eine Meinung ohne Begründung liefert keine Grundlage. Beleidigungen/Netiquettenverstöße werden konsequent gelöscht.

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