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Auf keiner Seite gewollt: Die doofe Nazi-Zecke

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Kommentar
Manchmal sehnt man sich in eine Zeit zurück, als links und rechts nur Richtungsangaben waren. Damals, als wir diese zwei Begriffe vor allem dann hörten, wenn Mama und Papa uns beibrachten, wie man sich im Straßenverkehr zu verhalten hat. Nach links schauen, nach rechts, wieder links. Oder natürlich rechts-links-rechts. Für die ganz aufgeregten: Links-rechts-rechts-links-links-zurück-ab nach Hause.

Links sind die Zecken, rechts sind die Nazis?

Heute sind es Kampfbegriffe. Linke Chaoten, rechte Hooligans, Gutmenschen, besorgte Bürger. Alles wird in ein links-rechts-Schema gepackt. Da kann man schon mal die Lust am Politischen verlieren. Oh nein, da hören wir schon die Proteste unserer Leser: „Nein, nein, man muss politisch sein!“

Politik
Unser Traum: Die Zukunft soll schöner werden

Kann sein, aber es macht beim besten Willen keinen Spaß mehr. Denn es wird schon längst nicht mehr diskutiert, was das beste für Opa Bernd, für Deutschland, für Europa, die Welt oder einfach die Menschheit ist. Es werden nur noch Grenzen gezogen: Wir und die Anderen. Wir, die besorgten Bürger und die Anderen, die vor den Problemen der Flüchtlingskrise die Augen verschließen. Wir, die bunten Weltbürger und die Anderen, die zurückgebliebenen Nazis.

Zweiseitiger wird’s nicht: Berichterstattung über Chemnitz

Das nervt. Wirklich, es nervt, denn wenn wir nur in zwei Extremen denken, fehlt die breite Mitte. Das beste Beispiel lieferte Chemnitz vor zwei Wochen: Nach dem Mord an einem 35-Jährigen, mutmaßlich durch einen Syrer und einen Iraker, gehen hunderte Menschen auf die Straße und wollen sagen: So geht es nicht weiter. Hinein mischen sich jedoch auch Rechtsextreme, die nichts verbessern, sondern nur zerstören wollen. Als dann am nächsten Tag Chemnitzer auf die Straße gehen, um zu zeigen, dass die Nazis nur Einzelfälle sind, ist die Handlung für die Medien und Öffentlichkeit klar: In Chemnitz demonstrieren Rechte und Linke gegeneinander.
Glückwunsch, jetzt haben wir die Mehrheit der Menschen ausradiert. Denn wer sich über Zustände beschwert, die er im Zusammenhang mit der mangelnden Integration Geflüchteter erkennt, der ist deshalb nicht rechts. Wer gegen Nazis auf die Straße geht, ist auch nicht gleich links. Aber Meinungsvielfalt findet in der öffentlichen Diskussion keinen Platz. Wir brauchen eine Grenze, denn wir sind wir und die sind die Anderen.

Error 101: Kritik konnte nicht gelesen werden

Eine Journalistin musste jüngst feststellen, dass es vor allem diejenigen sind, denen sie sich eigentlich zugehörig fühlt, die sie für ihre Meinung angreifen. Liane Bednarz kritisierte das Konzert  „Wir sind mehr“, das in Chemnitz gegen rechte Hetze organisiert wurde. Anschließend überfiel sie ein Shitstorm, wie sie ihn noch nicht erlebt hatte. Denn plötzlich war sie kein Teil von „wir“ mehr, sie gehörte für viele plötzlich zu „den Anderen“.

Politik
Eine bessere Zukunft für alle oder nur für uns?

Wir fangen jetzt gar nicht erst an, die Begrifflichkeiten von „links“ und „rechts“ zu bestimmen. Sie werden nämlich seit einigen Jahren fast ausschließlich über die Flüchtlingskrise definiert. Wer sagt, unbegrenzte Zuwanderung sei nicht gut, der ist rechts. Wer sagt, man muss allen Menschen helfen, der ist links. Jemanden, der allen helfen möchte, aber sieht, dass das aktuell nicht richtig umgesetzt wird und zu Problemen führt, den gibt es nicht. Für die eine Seite ist er schon rechts, für die andere schon links.
Wohin führt uns das? Für einige scheint der einzige Weg zu sein, sich zu radikalisieren. Wenn ich als Nazi beschimpft werde, obwohl ich nie ein böses Wort gegen Ausländer gesagt habe, dann kann ich auch gleich die AfD wählen – woanders hört ja keiner zu. Wenn ich als linke Zecke bezeichnet werde, dann laufe ich auf Demos auch neben Linksextremen, denn es ist ja für die gute Sache.

Abschalten: Keine Lösung, aber doch verlockend

Wer darauf keine Lust hat, der guckt keine Nachrichten mehr, meidet die Kommentare bei Facebook und nippt still an seinem Feierabendbierchen, wenn unter den Freunden eine politische Diskussion losgeht. Denn niemand möchte mit dir diskutieren, wenn du nicht vorher definierst, wo du hingehörst. Und wenn du zu uns gehörst, kannst du die andere Seite nicht mehr verstehen, hörst du? Das geht nicht! WIR SIND DIE GUTEN UND DIE ANDEREN SIND DIE BÖSEN!

Mehr Hass, weniger Fortschritt, mehr Grenzen, weniger Diskussion – wo soll uns das eigentlich hinführen?

 
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