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Story: Krebs ist ein Arschloch!

Reisen, feiern, Freunde treffen, das Leben genießen – was man so macht, wenn man Mitte zwanzig ist und sich gerade in der schönsten Zeit des Lebens befindet, der Studentenzeit. Was aber, wenn da plötzlich etwas richtig Mieses die Pläne durchkreuzt? Nicht etwa ein kaputtes Auto oder eine verhauene Prüfung, nein. Gemeint ist eine abgrundtief hässliche Krankheit mit Arschloch-Charakter: Krebs. 
Sebastian Schramm begegnete diesem Biest vor zwei Jahren, während sein Leben eigentlich ganz lässig vor sich hin plätscherte. Er ist ein aufgeschlossener, sportlicher Typ, trinkt beim Feiern am liebsten Wodka-O und er führte ein bilderbuchhaftes Studentenleben. Seinen Bachelor absolvierte er in Rostock in Geschichte und Germanistik. Hier quälte er sich wahrscheinlich, wie alle anderen auch, durch das lästige Mittelhochdeutsch-Seminar und versackte das ein oder andere Mal in der Rostocker Club- und Kneipenszene. Der klassische Rostocker Student eben. Nach seinem Bachelor beginnt er ein Fernstudium in Kiel und fängt an, bei der Schweriner Volkszeitung als Journalist zu arbeiten. Alles läuft.

Foto: shrimps29 auf Instagram

Bis zu dem Zeitpunkt, als ein harmloser Wodka-O-Kater zu einem vermeintlich hartnäckigen Virus mutierte. Es war jedoch kein Virus, eher der Wolf im Schafspelz, der in ihm brütete und sich letztendlich in 8 Buchstaben outete: M. Hodgkin. Lymphdrüsenkrebs im höchsten Stadium. Ein Tumor, so groß wie eine geballte Faust, nistete sich in Sebastians Brustkorb ein. Von jetzt auf gleich liegt alles in Scherben. Pläne, Träume, Ziele? Das einzige Ziel ist es nun, diese  Krankheit zu überstehen und ihr den Kampf anzusagen. Hoffnung gibt es zum Glück. Lymphdrüsenkrebs ist eine der meist erforschten Krebsarten und Sebastian wurde eine Heilungschance von 90% zugeschrieben. Hoffnung hieß aber auch die WhatsApp-Gruppe, die er für seine Freunde gründete.

 

Quelle: zeitjung.de

Nach der Diagnose entschied sich Sebastian dafür, seine Gedanken und Ängste zu teilen und begann, alles aufzuschreiben, was in seinem Kopf umherschwirrte. Daraus entstand die Kolumne „Fürs Erste Krebs“, die auf ZEITJUNG in 15 Episoden veröffentlicht wurde. Sebastian beschreibt auf eine emotionale und unglaublich ehrliche Art und Weise den Kampf gegen den Krebs. Alle Episoden von seiner Kolumne könnt Ihr hier lesen. Eine kleine Leseprobe wollen wir Euch nicht vorenthalten:

Nervös und angespannt betrete ich am nächsten Morgen das Behandlungszimmer. Ein komisches Gefühl, nach Wochen der Ungewissheit vielleicht endlich eine richtige Diagnose zu bekommen. Vor Engel auf ihrem Schreibtisch liegt ein kleiner Zettel, meine Blutauswertung. Zwei Werte hat sie mit Gelb markiert. Ein bestimmtes Eiweiß in meinem Blut ist um ein Fünffaches erhöht, dazu unnormale Werte meines Immunsystems. Es ist angegriffen. „Leukämie kann ich ausschließen“, sagt sie. „Wenn ich mir die Werte ansehe, tippe ich auf Morbus Hodgkin.“ Immer wieder schaut Engel auf meinen Brustkorb, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Sie würde mir gerne etwas anderes diagnostizieren. Aber ihr fällt nichts mehr ein. Das Wort Krebs benutzt sie kein einziges Mal. Wie könne man das denn behandeln, frage ich unsicher. „Mit chemotherapeutischen Medikamenten.“ Ich nicke nur, nehme gar nicht richtig wahr, worum es gerade geht. An Krebs denke ich noch immer nicht wirklich, selbst als der Begriff Chemotherapie fällt. Morgen sei der Termin im CT, um elf Uhr. Sie schreibt mich krank bis Montag, da wolle sie mich sehen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ich solle mich ausruhen und bitte, sagt sie, bitte: Ich solle mich nicht im Internet über die Krankheit informieren. Ich entdecke Mitleid in ihrem Blick, als ich gehe. „Das alles hier ist nicht zum Sterben, sondern zum Behandeln.“
Ich bringe den Krankenschein zur Arbeit. Der Verlag ist zu Fuß nur zehn Minuten von der Praxis entfernt. Ich rufe Mama an und eröffne ihr, was im Raum steht. Ein Gespräch unter veränderten Vorzeichen. „Und wie kann man das behandeln?“ „Mit chemotherapeutischen Medikamenten.“ Meine Stimme gehorcht mir nicht mehr. Tränen laufen über meine Wangen, ich ziehe meinen Schal ins Gesicht, damit mich niemand erkennt. „Nicht weinen, Basti. Nicht weinen. Wir bekommen das hin.“ Sie muss nicht weinen. Erst später erfahre ich, dass sie nach dem Telefonat nicht mehr in der Lage war, zu arbeiten. Nach einer Zigarette ist sie nach Hause gefahren. Mama ist Nichtraucherin. Wieder in meiner Wohnung, schmeiße ich den Laptop an. Google öffnet sich wegen meines Chrome-Browsers automatisch und ich tippe acht Buchstaben in die Suchleiste: M. Hodgkin. Der erste Treffer ist die Internetseite der deutschen Krebsgesellschaft. Ich höre nicht mehr auf zu weinen.
Die Monate der Krankenhausaufenthalte und Chemotherapien vergingen. Für Sebastian mit Sicherheit die schlimmste und längste Zeit seines Lebens.

Heute ist die Krankheit Geschichte, Sebastian hat den Krebs besiegt. Vergessen wird er ihn wohl nie, denn die Narben bleiben. StudentsStudents hat mit ihm gesprochen.
StudentsStudents: Sebastian, wann bist Du an Krebs erkrankt und wie viel Zeit ist mittlerweile verstrichen?
Sebastian: Der Tag der Diagnose war der 14. April 2016. Da saß ich zusammen mit meiner Mutter in einem unaufgeräumten Ärztezimmer, neben Rechnern türmten sich Akten und Bücher. Die Ergebnisse der Biopsie waren da und die Ärztin sagte, ich hätte Lymphdrüsenkrebs. Dass es so sein würde, wussten wir allerdings vorher. Umsonst wird man nicht in die Onkologie eingewiesen. Jetzt ist es also knapp zwei Jahre her.
StudentsStudents: Du hast den Krebs besiegt, aber gewiss wird er immer ein Teil von dir sein. Wie sieht dein jetziger Alltag aus?
Sebastian: Seit Januar 2017 arbeite ich wieder. Das heißt: Mit Fernstudium in Kiel und normaler Arbeit in Schwerin komme ich schon mal auf 50 Stunden die Woche. Das war schon vorher nicht wenig. Jetzt stoße ich schneller an meine körperlichen Grenzen.
StudentsStudents: Du hast in Rostock studiert, richtig? Erzähl mal, wie sah dein Studentenleben so aus?
Sebastian: Genau, von 2012 bis 2015. Geschichte und Germanistik. Es war wunderbar. Ich wohnte in der Innenstadt, fünf Minuten zu Fuß zum Studentenkeller. Sonst ziemlich klassisch: tagsüber Uni, auch mal Arbeit, um mir Geld zu verdienen. Ich habe tolle Menschen kennengelernt. Die meisten in der Uniliga bei Lokomotive Wirtschaft.
StudentsStudents: Du hast geschrieben, deine Studienzeit in Rostock war wohl die bislang schönste Zeit – warum?
Sebastian: Dieses Gefühl der Freiheit. Morgens einfach im Bett zu bleiben, weil man keine Lust auf Vorlesung hatte. Oder sich am Nachmittag mit Freunden auf einen Kaffee am Dobi zu treffen. Spontan feiern zu gehen, im LT oder im Keller. Einfach erwachsen zu sein ohne die Verantwortung, die man jetzt trägt.
StudentsStudents: Warum hast Du dich dazu entschieden, die Kolumne über deine Krankheit zu schreiben und zu veröffentlichen? 
Sebastian: Das war spontan und war nicht richtig geplant. Ich lag im Krankenbett in Schwerin, gerade diagnostiziert, und unterrichtete einen alten Kollegen, der als Journalist in London arbeitet. Ich fragte ihn, ob er mich nicht begleiten wolle auf meinem Weg gegen den Krebs. Er stimmte zu. Ich sollte quasi immer aufschreiben, was ich erlebe – so dass er Material hat. Daraus wurde dann durch Zufall die Kolumne. Das schreiben half mir, die Dinge zu verarbeiten.
StudentsStudents: Gibt es die Gruppe „Hoffnung“ noch und wie sieht das Verhältnis zu deinen Freunden jetzt nach dem Sieg über die Krankheit aus? Ist alles so geblieben, hat sich etwas verändert? 
Sebastian: Nein, die Gruppe gibt es nicht mehr. Vielleicht ist es auch gut so. Man muss in irgendeiner Weise damit abschließen, zumindest nicht bei jedem Blick auf das Handy daran erinnert werden. Das Verhältnis zu meinen Freunden ist in vielerlei Hinsicht anders als vorher. Es ist viel intensiver und von mehr Verständnis geprägt – auf beiden Seiten. Ein ehemaliger Freund aber hat sich von mir abgewendet. Und ich weiß nicht warum.

Vielen Dank, Sebastian! Wir wünschen Dir auf deinem weiteren Lebensweg alles Gute und Glück der Welt, die richtigen Freunde an deiner Seite, viele Abenteuer und Erfolge, sowie immer eine Handbreit Wodka-O unter’m Kiel!
Hast Du auch schonmal etwas Kurioses, Lustiges oder Nerviges in der Uni erlebt? Erzähl‘ uns deine Geschichte! Wir haben immer ein offenes Ohr und geben dir eine Stimme. Kritik und Anregungen hören wir auch gern. Schreib‘ uns: campus@studentsstudents.de.

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