StudentsStudents Rostock

Informationsportal für Studierende in Rostock

"IHR seid nicht Rostock!" – Bermuda-Bernd definiert den ECHTEN Rostocker

Hin und wieder kommt es vor, dass gewisse Einwohner der Stadt die Daseinsberechtigung vermeintlicher Nicht-Rostocker in Frage stellen – auch wenn sie hier geboren wurden. „Blöde Wessis!“, „Scheiß Studenten!“, „Geh doch zu Hause!“, sind beliebte Standard-Flüche. Einer dieser schimpfenden Kinder der Stadt ist Bermuda-Bernd (58). Unser Autor kam betrunken mit ihm ins Gespräch und ließ sich erklären, was einen ECHTEN Rostocker ausmacht.

Halb Blumenladen, halb Kneipe: Das ist die Bleipe

Am Ende der Nacht kehre ich mit Freunden auf einen Absacker in den „Flowerdream“ ein, einer rustikalen Eckkneipe in der Doberaner Straße, die wir nur „Bleipe“ nennen. Warum? Ganz einfach: Im Vorderbereich befindet sich ein Blumenladen, der nach Zigarettenqualm riecht und wenn man dort eine kleine Treppe hinaufsteigt und einen muffigen Vorhang zur Seite zieht, steht man in einer Kneipe, randvoll mit Ur-Rostockern.

Wir lieben diese Stadt trotzdem!

Es dauert nicht lange und es quatscht uns ein Kerl, der offensichtlich noch ein Promillchen mehr intus hat als wir, schräg von der Seite an. Wir kennen ihn schon von anderen Abenden in der Bleipe. Hingegen sind wir für ihn jedes Mal aufs Neue ein unbeschriebenes Blatt. Wir tauften ihn intern einst „Bermuda-Bernd“, weil er uns immer wieder die gleiche Geschichte erzählt, wie er einst zur See fuhr und mehrfach das mythenreiche Bermuda-Dreieck überquerte – und es ist nie etwas passiert!

Der ECHTE Rostocker

Lallend und mit glasigen Augen fragt er uns diesmal, ob wir auch solche schnöseligen Wessi-Studenten sind. Sind wir nicht, wir sind Mecklenburger. Das ändert nichts. Seiner Meinung nach kommen wir aus allen Ecken hierher und verändern die Stadt, ohne zu wissen, was es überhaupt bedeutet Rostocker zu sein. Marietta, die herzliche bulgarische Bardame, rollt mit den Augen und schenkt uns Lakritzschnaps ein. Es kommt zur Diskussion:
Ich: „Aber Marietta ist doch auch nicht aus Rostock und trotzdem bist du immer wieder hier.“
Bermuda-Bernd: „Ja, aber die ist trotzdem Rostock!“
Ich: „Warum?“
BB: „Na, weil sie die Werte hier lebt.“
Ich: „Die da wären? Was macht denn für dich einen echten Rostocker aus?“

Anker ist Anker.

Bermuda-Bernd, pockige Schnapsnase und hängende Augenlider, überlegt und nickt scheinbar genervt mit dem Kopf, als würde er mir gleich eine reinhauen wollen. Doch es folgt eine feurige Rede:
BB: „Wir Rostocker, ja – wir wissen noch was Ehrlichkeit und Zusammenhalt bedeutet. Keiner von uns bekommt hier irgendwas geschenkt. Wir sind keine gelackten Schnösel. Von uns protzt keiner rum, keiner hält sich hier für etwas Besseres. Weißte, wenn einer Hilfe braucht, denn kriegt er die auch. Wir lassen uns nicht im Stich, haben uns nicht immer lieb, aber es verliert auch keiner ein schlechtes Wort über den andern. Was uns nichts angeht, geht uns nichts an. Da halten wir uns raus. Wir nehmen die Leute wie sie sind und verurteilen sie nicht gleich. Hier quatscht keiner dummes Zeug. Wenn du in Rostock geboren bist, weißt du, was Sturm ist. Da heulste nicht über Regen – und auch nicht, wenn du mal eine inne Schnauze gekriegt hast. Da wird im Nachhinein zusammen getrunken und gut ist. Das ist nämlich auch Rostock: Hier trinkt man zusammen einen, egal wo man her kommt und was man getan hat. Da hört man sich erstmal zu!“
So wie wir!

Seine Worte sind teilweise sehr widersprüchlich zu seinem anfänglichen Verhalten uns gegenüber, aber hinweisen tun wir ihn darauf nicht.
Ich: „Ja, und woher willst du wissen, dass die Wessi-Studenten oder sonst wer, diese Werte nicht leben?“
BB: „Das sag ich ja gar nicht.“
Ich: „Natürlich sagst du das. So hast du uns vorhin begrüßt, dabei kennst du uns gar nicht.“

BB: „Junge, pass auf: Das hab ich doch auch gar nicht so böse gemeint. Manchmal redet man hier oben halt ein bisschen schroff. Und ich mein ja bloß, dass sich die Zeiten hier geändert haben. Früher war mehr Bambule, verstehste? Da war noch Seefahrt und in den Kneipen was los. Das war Rostock! Heute tun sie alle so, als wären sie von der Küste, nur weil sie einen Anker aufm Pulli haben. Hier!“
Bermuda-Bernd krempelt seinen Pullover hoch.
BB: „Ich hab noch einen von der Seefahrt aufm Arm tätowiert. Das Ding ist doch: Ihr Studenten kommt her und haut dann wieder ab, dahin wo es Kohle gibt. Und warum? Weil ihr Rostock nicht im Herzen tragt. Oder nur so lange, bis die Stadt euch nichts mehr nützt.“
Ein Glück nehmen wir nichts persönlich.

Unser Gespräch hat ihm den Abend über einiges aus der Reserve locken lassen und am Ende sind meine Kumpels und ich akzeptiert. Vielleicht, weil man sich einfach mal zugehört und kennengelernt hat. Ich kann ihn schon verstehen. In mancherlei Hinsicht stimme ich ihm sogar zu. SEIN Rostock hat sich im Verlauf der Zeit sehr verändert. Und nun trauert er mit einer nostalgischen Verbitterung der guten alten Zeit hinterher, als er noch jung war und sein bester Kumpel „Udo noch lebte, bevor er sich tot gesoffen hat“, als „viel mehr Seefahrer in den Kaschemmen waren“ und „nicht alle auf ihr Handy geglotzt haben“.

Fazit

Nun, ob Bermuda-Bernd das Sinnbild des ECHTEN Rostockers ist, wage ich zu bezweifeln. Viel mehr ist er ein untrennbarer Teil der Stadt – ebenso wie vermeintlich schnöselige Wessi-Studenten oder Hansa Rostock. Er ist eine gute, etwas zu betrunkene Seele, die das Herz am rechten Fleck trägt. Einer von der Alten Schule. Ein nach außen knallharter, lokalpatriotischer Typ mit hanseatischem Seefahrerstolz, der aber eigentlich doch ein ziemliches Sensibelchen ist. Jemand, der sich an eine lokale Identität klammert, um zu sein. Anfangs schroff und distanziert, am Ende herzlich und offen. Ist er vielleicht doch eher eine Allegorie der Stadt als ihrer Menschen? Schwer zu sagen. Am Ende ist Rostock so, wie eine Hafenstadt zu sein hat: vielfältig in seinen Menschen, ständig im Wandel und weltoffen. Es geht nicht um den ECHTEN Rostocker, es geht um das große Ganze. Und das ist gut so.

Jo, Prost!

(…)
Wieso eigentlich ein Blumenladen in einer Kneipe? Mariettas akzentreiche Antwort: „Ista ganz einfach. Mann betrunken, will morgens nach Hause, kauft Blume für Frau, Frau nicht böse.“ Punkt.
Hast Du auch schonmal etwas Kurioses, Lustiges oder Nerviges in der Uni erlebt? Erzähl‘ uns deine Geschichte! Wir haben immer ein offenes Ohr und geben dir eine Stimme. Kritik und Anregungen hören wir auch gern. Schreib‘ uns: campus@studentsstudents.de!
 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.