Einen Abend vor dem LETZTEN kostenfreien Termin stellt mein findiger Mitbewohner erschrocken fest, dass sich ja morgen schon wieder der Heizungsmann angekündigt hat. Die Berufsbezeichnung variiert in ihren Termini, da keiner von uns wirklich weiß, wie sich das Gewerbe des Mannes überhaupt nennt, das die Heizkostenverteiler wechselt und die Wasserzähler sowie die Rauchmelder überprüft. Einer muss morgen früh da sein, um dem Heizungsmann die Tür zu öffnen. Zähneknirschend erkläre ich mich bereit.
Am nächsten Morgen klingelt es um 10 Uhr an der Tür. ZEHN UHR IN DER FRÜH! Herein stapft ein fröhlicher, moppeliger Herr um die 50. Blaumann, darunter ein schwarzes T-Shirt mit weißen Salzrändern unter den Achseln, feuerrote Birne, ergrautes, rot-blondes Haar, herzhaft-säuerlicher Schweißgeruch. „Servus“, sagt er. „Moin“, sage ich. Der kommt wohl nicht von hier. Skepsis.
Gleich zu Beginn bekomme ich mahnende Worte, dass es schön sei, endlich mal jemanden hier angetroffen zu haben.
Heizungsmann: „Studenten-WG, stimmt´s?“
Kleinlaut gestehe ich.
Heizungsmann: „Ich weiß nicht, ob das Ignoranz ist oder ob ihr Studenten alle so verplant seid. Ist überall das gleiche. Das ist frustrierend, vor verschlossenen Türen zu stehen. Das kannste verstehen, oder? Bin ja froh, dass du Bescheid wusstest. Andere öffnen völlig verschlafen und in Unterbuchse die Tür und wissen gar nicht wie ihnen geschieht. Denn treibt es ihnen vor Überraschung gleich die Schamesröte ins Gesicht. Wenn ich schon um Achte klingle, kommt es sogar nicht selten vor, dass einige erst vor drei Stunden von ‘ner Fete gekommen und noch rotzevoll sind. Ihr Studenten wisst immer von nichts. Wir schicken euch doch nicht umsonst einen Brief.“
Dieser Monolog gleich zu Beginn wirkt etwas erschlagend. Wie ein Wirbelwind stürmt der Heizungsmann die Bude und testet alsbald die Rauchmelder, die allesamt diesen furchtbar unangenehmen Signalton von sich geben. Während er werkelt, frage ich ihn ein wenig über seinen Job aus. Schon immer habe ich mich gefragt, was der Heizungsmann wohl so alles erlebt in einer Studentenstadt.
Heizungsmann: „Neulich konnte ich Heizung und Rauchmelder auf der Toilette nicht überprüfen, weil dort jemand besoffen beim Kotzen über der Kloschüssel eingeschlafen ist. Den haben wir erst nach ‘ner Viertelstunde wachgekriegt. Der Dämlack hatte die Katze noch mit eingeschlossen, die wie wild gemauzt hat – das arme Ding. Die hat mich denn auch gleich gekratzt, so aufgewühlt war das Tier.“
Ich: „Ist man da nicht irgendwann genervt von Studenten?“
Heizungsmann: „Du, mittlerweile bin ich mit allen Wassern gewaschen. Ich find‘s ja auch ganz unterhaltsam. Ich hab schon so viel erlebt: vom Kampfhund im Badezimmer bis zur sich gerade auflösenden Hausparty, als man mir noch ein Bier in die Hand drückte. Das muss scheinbar so bei Studenten – aber ich find das auch nicht schlimm. Ihr seid ja jung. Irgendwann müsst ihr nur alle mal den Schuss hören.“
Etwas beschämt führe ich ihn in mein unaufgeräumtes Zimmer, wo wir meinen Schreibtisch verrücken müssen, damit der Heizungsmann an den Ableser kommt. Ich entschuldige mich für das Chaos.
Heizungsmann: „Ach, das ist doch noch gar nichts. Für manche Buden hätte ich Atemschutz und Machete gebraucht, um mich zur Heizung durchzukämpfen. Einige haben wirklich furchtbar muchtige Buden. Da fällst du vom Glauben ab. Manche lassen sich auch nicht beim Schlafen stören, wenn ich in ihr Zimmer gehe. Die gucken nur kurz verschlafen hoch und drehen sich wieder um. Wenn der Rauchmelder getestet wird, drücken sie sich kurz das Kissen auf‘s Ohr und fertig.“
Ich: „Sind die WGs alle so unvorbereitet wie wir, dass erst noch alles verrückt werden muss, damit sie überall rankommen?“
Der Heizungsmann winkt ab und zieht die Augenbrauen hoch.
Heizungsmann: „Wenigstens weißt du, wo eure Heizungen sind. Neulich war ich bei ein paar Flitzpiepen, die wussten nicht, dass sich hinter ihrem Kühlschrank ein Heizkörper befindet. Der war das ganze Jahr auf fast 3 gestellt. Glaubst du das? Wie kann man so blöd sein? Weißt wie viel die da zahlen mussten?“
Ich:
„Na?“
Heizungsmann: „Weiß ich jetzt auch nicht mehr. Aber das war ‘ne Menge.“
Aha.
Wir gehen weiter in die Küche. Da fällt dem Heizungsmann natürlich sofort eine passende Story ein. Letztes Jahr hat er mal einen Brand verhindert, erzählt er stolz.
Heizungsmann: „Von der WG war niemand zu Hause, sodass sie den Schlüssel bei den Nachbarn hinterlegt haben. Als ich dann die Tür aufschloss, war die Bude blau. Jemand hatte vergessen, den Ofen auszumachen. Das Backpapier geriet an die Glühstäbe und fing Feuer. Gottseidank brannte es noch nicht so lange. In der WG waren die Rauchmelder abgeschraubt, weil dort drin immer geraucht wurde. Es wurde dann einfach vergessen, die Melder wieder anzubringen. Wir haben die doch nicht umsonst da oben anmontiert. Das hat doch einen Zweck, dass die da hängen. Das ist doch schon Ironie des Schicksals, dass dann gerade ich in dem Moment in die Wohnung komme.“
Schweißgebadet beendet der Heizungsmann seine Arbeit und gibt abschließend noch eine weitere Geschichte zum Besten – eine „nicht jugendfreie“, vergewissert er mir mit einem verschmitzten Grinsen.
Heizungsmann: „Gerade vor ein paar Tagen erst öffnet mir ein junger Bursche die Tür und sagt, dass er zur Uni muss. Ich soll einfach machen, weil eh niemand in der WG ist, sagt er. Aber Pustekuchen. Da geh ich in das eine Zimmer und denn liegen da zwei junge Leute im Bett und na ja…da ging‘s grad ziemlich zur Sache, verstehste? Knick-Knack, weißt du? Das Paar hat sich natürlich total erschrocken. Die wussten gar nicht, was los war. Ja, denkste ich wusste das? Junge, Junge, Junge…ich kann dir sagen. Das war mir dann auch unangenehm.“
Furchtbare Vorstellung, dass der Heizungsmann den Beischlaf crasht. Er bedankt sich für den Kaffee, den ich ihm vorhin gemacht habe und verabschiedet sich.
Heizungsmann: „Die neuen Heizkostenverteiler funktionieren nun alle über Funk. Denn müssen wir nicht mehr in eure Buden. Die können wir von draußen testen. Denn muss ich mich in Zukunft nicht mehr ärgern und fremdschämen – und ihr habt noch eine weitere Sorge weniger. Tschüss denn, ne.“
Und so wie er hineinstürmte, stürmt er wieder hinaus und die Geschichte vom Heizungsmann ist aus.
Lilie
Schöner Bericht aus dem Alltag! Ich hoffe der Heizungsmann hat ihn auch bekommen, da würde er sich bestimmt freuen. 🙂
g
schön geschrieben und spannend zu lessen 🙂