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"Stubnitz, komm bald wieder…"

Ode an ein Schiff
von Georg Bussler

Ich sitze an der Kaikante. Aus dem flammenden Morgenrot steigt allmählich die Sonne empor. Möwen schreien. Die Warnow ist glatt wie ein Spiegel, die Luft vitalisierend frisch und klar. Ein wunderschöner Morgen. Irgendein Typ bietet mir lallend ein Brötchen mit Bauarbeiter-Marmelade an und sucht meine Nähe. Die „Alte“ ist abgehauen. Er ist traurig. Mmh, lecker Mettbrötchen, denke ich. Wo auch immer er das her hat, das habe ich jetzt gebraucht. Ein paar Meter neben mir donnern Techno-Bässe aus dem Bauch des Schiffes, das ich so liebe: Die MS Stubnitz. Da wo ihre Heimat ist. Hier, bei uns in Rostock. Wenn irgendwelche Wellen gerade auf der Warnow zu finden sein sollten, dann auf Grund der Vibrationen der Bässe.

Foto: schlepp.geist auf Instagram
Foto: schlepp.geist auf Instagram

Ein paar verlorene Seelen schwanken von Bord, gucken mit einem Auge nach Norden und mit dem anderen nach Osten. Hin und wieder geht an Deck eine Tür auf, weil es tatsächlich ein paar Leute gibt, die zum Rauchen nach draußen gehen. Man hört dadurch für einen kurzen Moment auch mal mehr als den Bass. Die ganze Nacht war ich verschlungen, tanzte mich schwitzig auf einem Dancefloor, der wie ein Maschinenraum anmutet, bis mich die Stubnitz irgendwann um 6Uhr in der Früh mit zerfeierten Zwiebelaugen ausspuckte und ich bemerkte: „Oh, schon hell.“
Aber das sind alles nur wehmütige Erinnerungen, die ich nur mit einem Kloß im Hals denken kann.
Hach, die Stubnitz. Da fühlte man sich wie ein betrunkener Matrose und nutzte auch jeden Gegenstand auf dem Schiff als Requisit seines besoffenen Schauspiels. Man ist ja so schön blöd, wenn man Einen sitzen hat. Im Bauch der Stubnitz zu sein, ist einfach ein komplett anderes Partygefühl. Alles war so verwinkelt und duster.  So würde wahrscheinlich ein Club in Waterworld aussehen, der sich irgendwo auf einem der Atolle befindet. Natürlich würde Kevin Costner auflegen. Hier tat er das nie. Wäre aber cool gewesen. Das einzige, das außerdem noch fehlte, waren ein bisschen Wellengang und herunterhängende Stromkabel, die Funken werfen.
Diese Location hat trotzdem einige Tücken in petto. Allein die fiesen Leitern, um den Floor eine Etage tiefer zu erreichen, sind Ursache für manch Narbe eines treudoofen Trunkenboldes, der wie Mufasa in die nicht allzu tiefe Tiefe stürzte, weil er mit dem Fuß eine Sprosse verpasste. Noch gefährlicher wurde es, wenn irgendjemand an Bord vor der Party in einen Hundehaufen gelatscht ist und ebenfalls die Leiter in den untersten Floor nutzte.
Wenn es blöd lief, griff man beim Runterklettern in Rückstände seiner Schuhsohle.
Foto: Margot_mi auf Instagram
Foto: Margot_mi auf Instagram

Ganz unten – da wo alles am dumpfesten klang und so sehr schepperte, dass der ganze Laden vibrierte, so als hätte man eine Hummel im Ohr – da stößt man auf das Gerippe der Stubnitz. Wenn man sich konzentrierte – oder irgendwas genommen hatte – konnte man den Korpus des Schiffes atmen sehen.
Eine zusammenhängende Tanzfläche gab es nicht, sondern verschiedene Ebenen an Gitterrosten, die auch per Leiter oder kleiner Treppe zu erreichen waren. Man befand sich trotzdem auf dem selben Floor, wenn man so will – nur eben auf verschiedenen Höhen. An einigen Orten konnte man da auch schon mal die Beine baumeln lassen und die Leute beim ekstatischen Tanzen beobachten oder irgendwelche Kaputten, die zwischen die Lücken der Gitterroste kletterten und in den Kiel hinabstiegen, um Pfand, Kleingeld, Feuerzeuge und Handys abzusahnen, die den Tanzwütigen beim Twerken aus der Tasche fielen. Es war eigentlich immer grenzwertig voll und eng, wenn ich meine vielen Partypuzzle im Hirn richtig zusammengesetzt habe. Aber das war egal. Das war die Stubnitz. Das musste so. Das ging gar nicht anders. Das war wie bei „Radio Rock Revolution“.
Foto: dj_bek auf Instagram
Foto: dj_bek auf Instagram

Herrliche Momente einer lang vergangenen Zeit. Zumindest kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, dass sie mal wieder zu Hause war. Sie ist Flügge geworden und liegt jetzt in einem anderem Hafen – in Hamburg. Wahrscheinlich weint deshalb der Himmel über Rostock so häufig, weil das geliebte Kind einfach nicht heimkehrt. Und so stehe ich so oft in Warnemünde an der Mole und schaue in die Ferne, in der Hoffnung, irgendwo vom Horizont her die dumpfen Bässe aus dem Bauch der Stubnitz zu hören. Neulich vernahm ich ein elbenhaftes Wispern, das durch die Wogen der Ostsee zu mir drang und sich sanft wie eine Feder in meinen Gehörgang legte. Es flüstert mir Hoffnung zu. Etwas vom 800. Stadtgeburtstag. Von Rostock. Von einer kurzweiligen Rückkehr. Und von einem zerreißenden „Vielleicht“.
Stubnitz, komm bald wieder…

1 Comment

  • Felix
    Felix

    Was ist denn nun mit der Rückkehr zur 800 Jahrfeierei? Ist da nicht noch was zu machen?

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