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Ein Comic ohne Superhelden.

Stell dir vor, du erfindest eine Geschichte. Sie spielt in der Zukunft, ist Science Fiction. Zusammen mit einem Zeichner entwickelst du dazu einen Comic, die Menschen lesen ihn gerne. Und 20 Jahre später erlebst du den Albtraum deines Protagonisten im echten Leben. Dein Comic wird zur Nationalliteratur, weil er für den Widerstand steht, für den du gestorben bist.

Eternauta Comic, avant-verlag
Eternauta Comic, avant-verlag

Hector German Oesterheld passierte genau das. In seinem Science Fiction Comic „Eternauta“ schickt er seinen Helden Juan Salvo in den schier unmöglichen Kampf gegen eine Alienrasse, die Buenos Aires angreift. Um zu überleben muss er in den Untergrund fliehen, er geht in den Widerstand. Seine Familie verschwindet. Und er sucht fortan als „El Eternauta“ (übersetzt „der ewig Reisende“) ungehemmt der Grenzen von Raum und Zeit nach Frau und Kind.
Osterheld wurde nicht von Aliens attackiert. Doch 20 Jahre nach dem Erscheinen des Comics, kommt es in Argentinien zu einer Militärjunta, einer Militärdiktatur, und er geht in den Widerstand. Dem Militärputsch 1976 gehen viele Regierungswechsel, Wirtschaftskrisen und Gewalt voraus. Das Militär soll Ornung schaffen und Jorge Videla, Oberkommandeur der Streitkräfte, übernimmt die Führung des Landes. Am Ende der Diktatur (1983) werden mindestens 30.000 Menschen verschleppt, gefoltert und getötet worden sein.
Oesterheld ist Teil der Peronisten, Anhänger des zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Juan Peron, dem ehemaligen Staatschef. Oesterheld und seine vier Töchter kämpfen gegen die Diktatur, auch mit Gewalt und Waffen. Nach und nach wird der Widerstand von der Militärjunta verschlungen. Als Oesterheld verschleppt und an einem geheimen Ort gefoltert wird, setzt man ihm eines Tages seinen Enkel auf eine kleine Holzbank. Das Zeichen, das davon ausgeht, ist klar: Seine vier Töchter sind bereits tot. Wenig später stirbt auch Oesterheld. Zurück bleibt seine Frau Elsa, die sich fortan um ihren Enkel kümmert und ihr Leben lang um die Aufklärung der Verbrechen kämpfen wird.
(c) ZEITmagazin 02/2015
(c) ZEITmagazin 02/2015

Wenn jemand das Jahr „1978“ und das Wort „Argentinien“ hört, dann denkt er wahrscheinlich an die Fußball Weltmeisterschaft, die in diesem Jahr in Argentinien stattfand. Währenddessen wurden Menschen jeglicher Würde beraubt. Und die Welt schaute zu. Also beim Fußball. Alles andere wirkte irgendwie lästig.
Während Elisabeth Käsemann, eine deutsche Studentin, die durch Passfälschung und soziale Arbeit den Widerstand unterstützte, 1977 mit Elektroschocks gefoltert und vergewaltigt wurde, bereitete man beim Deutschen Fußball Bund ein Testspiel in Argentinien vor. Heute sind sich die meisten einig: Ein Anruf, in dem man Elisabeths Freilassung zur Bedingung für das Freundschaftsspiel gemacht hätte, und sie wäre freigekommen. Sie wurde durch vier Schüsse in den Rücken getötet. Die Kosten für die Überführung ihres Leichnams, musste die Familie Käsemann selbst tragen.
Elisabeth Käsemann. Quelle: Esteban Cuya - assigned by the family Käsmann to the uploader in 1998 with explicit request to publish, CC BY-SA 3.0.
Elisabeth Käsemann.
Quelle: Esteban Cuya – assigned by the family Käsmann to the uploader in 1998 with explicit request to publish, CC BY-SA 3.0.

Wirtschaftsbeziehungen über Menschenleben. Brot und Spiele. Erst 2010 trat Deutschland endlich als Nebenkläger im Prozess gegen die Verbrecher der Militärjunta auf. Jorge Videla und 15 weitere Personen wurden wiederholt zu lebenslanger Haft verurteilt. Alles zu spät. Im Nachhinein Heucheln ist immer leichter als vorher Haltung zeigen. Also freuen wir uns auf die Fußball WM in Katar 2022, für dessen Bauarbeiten bereits hunderte Menschen gestorben sind. Vielleicht ein paar traurige Facebook-Einträge, hier und da ein bisschen Online-Protest. Aber dann doch wieder Fußball und Politik trennen.
Bis heute wissen viele Argentinier nicht, was wirklich mit ihre Lieben passierte. Sie verschwanden auf dem Weg zur Arbeit, aus der Uni oder aus dem eigenen Haus. In den Gerichtsakten zu Hector German Oesterhelds Verschwinden ist Folgendes nachzulesen:
„Wie heißen Sie?“
„Elsa Sanchez de Oesterheld.“
„Alter?“
„60 Jahre.“
„Familienstand?“
„Ich nehme an: Witwe.“

Das war 1988. Der Leichnam wurde nie gefunden.
Sein Schicksal wird in der Ausstellung „Der Mythos Eternauta“ beleuchtet. Militärjunta, Oesterhelds Kampf und der seines Protagonisten werden zusammengeführt und sorgen dafür, dass die Gräueltaten von damals auch heute nicht vergessen werden. Am 22. September wird auch das Schicksal von Elisabeth Käsemann erneut unter die Lupe genommen. Beim Politischen Donnerstag wird die Dokumentation „Das Mädchen- Was geschah mit Elisabeth K.?“ gezeigt.
Der Eintritt zur Ausstellung im Peter-Weiss-Hause ist frei. Eröffnung ist am Sonntag, den 28.08.2016, mit der Kuratorin Anna Kemper und dem Verleger Johann Ulrich.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 15-19 Uhr.

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