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Akne und Lehrer-Gossip: ein nichtwissenschaftlicher Praktikumsbericht

Unser Autor will Lehrer werden und hat heute sein Orientierungspraktikum beendet. Eine zähe, oft ermüdend langweilige Angelegenheit, bei der es lediglich darum geht, zu hospitieren und niemandem auf den Keks zu gehen. Am erkenntnisreichsten waren für ihn, wie schon damals als Schüler, die Pausen – was auch sonst?

Endlich verstehe ich trigonometrische Funktion

TRI-GO-NO-ME-TRIE: Kein Ding für nen King.

Das Orientierungspraktikum ist wenig aufregend. Es dauerte nicht lange und ich stellte meine schriftliche Protokollierung des Unterrichts ein. Meine Beobachtungsschwerpunkte waren für mich nicht mehr interessant, sondern viel mehr der vermittelte Stoff: Weimarer Republik, Tonleiter, das Trägheitsgesetz, Photosynthese, Gedichtinterpretation und trigonometrische Funktionen. All das habe ich in der Schule damals gehasst, nicht begriffen oder nicht begreifen wollen. Da sitze ich in einem Raum voller blitzender Zahnspangen, habe nichts zu tun und bin emotional ausgeglichen, ohne mir innerlich den Kopf über mein Selbstkonzept zu zerbrechen und schon ergibt all der Unterrichtsstoff plötzlich Sinn.

Merke: Was im Lehrerzimmer passiert, bleibt auch dort

In den Pausen blieb ich meistens im Klassenraum bei den Schülern, weil ich dem Feng Shui im Lehrerzimmer nichts abgewinnen konnte. Wir Praktikanten saßen in der Ecke an einem separaten kleinen Tisch und hatten uns untereinander nichts zu erzählen, während die meisten Lehrer uns das Gefühl gaben, maximal geduldet zu sein. Erst am Ende, als ich mit den Lehrern wärmer wurde, schätzte ich den Lehrer-Gossip. Da machten man sich hinter verschlossenen Türen gern mal über Schüler lustig (es ist also offensichtlich eine auf Gegenseitigkeit beruhende Hassliebe). Es wurde auch viel aus dem Nähkästchen geplaudert, aber was im Lehrerzimmer passiert, bleibt auch dort – goldene Faustregel.

Goldene Faustregel: Lehrer-Gossip verlässt nicht den Raum.

Es hat sich nichts geändert

Doch bei den Schülern, da ging die Post ab. Blickte ich in manch von Akne geplagtes Gesicht, kam ich nicht umhin, mich selbst oder Freunde von mir darin zu sehen. Es gab eine erschreckende Vielzahl von charakterlichen Parallelen. Dort sah ich den provokant-arroganten Zyniker, hier den intelligenten Assi mit der großen Fresse und dort den stummen Kiffer. Alle haben nur Bockwurst im Kopf und den gleichen stumpfen Humor, der auch uns damals auszeichnete. Doch aus jedem von uns ist etwas halbwegs Gelungenes geworden.

Und natürlich gibt es auch den 16-Jährigen in der letzten Reihe hinten rechts, der immer noch in der 7. Klasse abstylt.

Die Gespräche der Schüler gehen von „GNTM“ über Fußball und pubertären Sexismus bis zu unangenehm fiesen Lästereien über die Körperformen von Lehrern. In dem Moment blicke ich an mir herab und frage mich, ob sie mich hinter meinem Rücken vielleicht auch einen Sack Schrauben nennen könnten.

Kabarett in der Pausenzeit

Eine Pause unter Schülern hat etwas von Kabarett. Es ist nämlich nicht so, als wären ihre Gespräche politisch unberührt. Vieles von dem, das sie von sich geben, ist ein humoristischer Spiegel verschiedener Gesellschaftsschichten, die im Biotop „Klassenraum“ wie in einem Schmelztiegel zusammenfließen. Da trifft der Snob auf den Sohn eines arbeitslosen Arbeitslosen und beide provozieren sich mit derartig wahren Punsh-Lines, dass man fast schon gebannt zuhört. In dem, was sie sagen, kritisieren sie durchaus die – Zitat – „Scheißwelt“, in der sie groß werden – aber alles mit sehr viel Humor. Sie ziehen ihre medialen Einflüsse (Instagram und Co.) und ihr von den Erwachsenen geprägtes Umfeld oft schonungslos durch den Kakao.

Je t´aime.

Und so ist ein Gespräch unter Teenagern einerseits äußerst oberflächlich, aber andererseits eben wirklich sehr kritisch. Auch wenn diese Kritik vielleicht nicht unbedingt einer bewusst gelebten sozialkritischen Haltung entspringt, ist sie dennoch vorhanden. Und das zu beobachten, wie sich der kritische Geist fast von alleine im bloßen Umfeld ihrer Altersgenossen entwickelt, ist äußerst spannend.
Ein stummer Beobachter zu sein, ist letztlich recht erkenntnisreich, wenn man sich einfach mal drauf einlässt. Ich tauchte in eine Welt ein, die ich noch sehr gut in Erinnerung habe, die am Ende aber eigentlich so sehr in Vergessenheit geraten ist, dass die Empathie für die Jugend schon jetzt immer häufiger abhanden kommt. Schon unheimlich, dass man sich nahezu unbemerkt so radikal verändert.
Ach ja, und übrigens: „YOLO“ ist wieder in. Wundert ihr euch gerade, dass YOLO mal out war? Dann geht es euch wie mir. Aber na klar, kommt halt alles wieder, wie Jessica-Doreen aus der 7B sagen würde.

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